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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Regen

    Wünsche.

    129
    Notwendigkeit über Tänzerinnen mit Rufzeichen zu reden. Weil man so ihre Bewegung nachahmt, weil man im Rythmus bleibt und das Denken dann im Genusse nicht stört, weil dann die Tätigkeit immer am Schluß des Satzes bleibt und besser weiterwirkt.

    17. III. (1912) In diesen Tagen "Morgenrot" von Stössl gelesen.

    Maxens Koncert am Sonntag. Mein fast bewußtloses Zuhören. Ich kann mich von jetzt an bei Musik nicht mehr langweilen. Diesen undurchdringlichen Kreis, der sich mit der Musik um mich bald bildet, versuche ich nicht mehr zu durchdringen, wie ich es früher nutzlos tat, hüte mich auch, ihn zu überspringen, was ich wohl imstande wäre, sondern bleibe ruhig bei meinen Gedanken, die in der Verengung sich entwickeln und ablaufen, ohne daß störende Selbstbeobachtung in dieses langsame Gedränge eintreten könnte. - Der schöne "magische Kreis" (von Max) der stellenweise die Brust der Sängerin zu öffnen scheint. - Goethe "Trost im Schmerz". Alles geben die unendlichen Götter Ihren Lieblingen ganz, die Freuden die unendlichen, die Schmerzen die unendlichen ganz. - Meine Unfähigkeit gegenüber meiner Mutter, gegenüber Frl. T. und gegenüber allen dann im Kontinental und später auf der Gasse.

    Mam'zelle Nitouche am Montag. Die gute Wirkung eines französischen Wortes innerhalb einer traurigen deutschen Vorstellung. - Pensionatsmädchen in hellen Kleidern laufen hinter einem Gitter mit ausgestreckten Armen in den Garten. - Kasernenhof des Dragonerregimentes in der Nacht.
    Officiere feiern in einem über paar Treppen zu erreichendem Saal des hintern Kaserngebäudes ein Abschiedsfest. Mam'zelle Nitouche kommt und läßt sich durch Liebe und Leichtsinn dazu bringen, an dem Fest teilzunehmen. Was Mädchen passieren kann! Früh im Stift, abends Auftreten für eine absagende Operettensängerin und nachts in der Dragonerkaserne.

    Heute den Nachmittag mit schmerzhafter Müdigkeit auf dem Kanapee verbracht.

    18. III 12 Weise war ich, wenn man will, weil ich jeden Augenblick zu sterben bereit war, aber nicht deshalb, weil ich alles besorgt hatte, was mir zu tun auferlegt war, sondern weil ich nichts davon getan hatte und auch nicht hoffen konnte, jemals etwas davon zu tun.

    22 III (1912) (ich habe die letzten Tage falsche Daten geschrieben) Baums Vorlesung in der Lesehalle. Grete Fischer, 19 Jahre, heirathet nächste Woche. Dunkles fehlerloses mageres Gesicht.
    Gewölbte Nasenflügel. Seit jeher trägt sie jägerartige Hüte und Kleider. Auch dieser dunkelgrüne Abglanz auf dem Gesicht. Die Haarsträhnen welche die Wangen entlang laufen, scheinen sich mit frischen entlang der Wangen wachsenden zu vereinigen, wie überhaupt der Schein einer leichten Behaarung über dem ganzen ins Dunkel gebeugtem Gesichte liegt. Schwach auf die Sessellehne gestützte Spitzen der Elbogen. Dann auf dem Wenzelsplatz eine schwungvolle, vollkommen mit wenig Kraft zuende geführte Verbeugung Wendung und Aufrichtung des ärmlich und rauh gekleideten magern Körpers. Ich sah sie viel seltener an, als ich wollte.

    24. III (1912) So. gestern. "Die Sternenbraut" von Christian von Ehrenfels. - Verloren im Anschauen, Unübersichtlichem rohen Zusammenhang gegenübergestellt, vor den 3 bekannten Ehepaaren gut mit mir verbunden. - Der kranke Offizier im Stück. Der kranke Leib in der gespannten, zur Gesundheit und Entschlossenheit verpflichtenden Uniform.

    Vormittag in reiner Laune eine 1/2 Stunde bei Max.

    Im Nebenzimmer unterhält sich meine Mutter mit dem Ehepaar Lebenhart. Sie sprechen über Ungeziefer und Hühneraugen. (Hr. Lebenhart hat 6 Hühneraugen an jedem Finger.) Man sieht leicht ein, daß durch solche Gespräche kein eigentlicher Fortschritt eintritt. Es sind Mitteilungen, 130
    die von beiden wieder vergessen werden und die schon jetzt ohne Verantwortungsgefühl in Selbstvergessenheit vor sich gehn. Eben deshalb aber weil solche Gespräche ohne Entrückung nicht denkbar sind, zeigen sie leere Räume, die wenn man dabei bleiben will, nur mit Nachdenken oder besser Träumen ausgefüllt werden können.

    25. III 12 Der den Teppich kehrende Besen im Nebenzimmer hört sich wie eine ruckweise bewegte Schleppe an

    26. III 12 Nur nicht überschätzen, was ich geschrieben habe, dadurch mache ich mir das zu Schreibende unerreichbar.

    27 III (1912) Montag faßte ich auf der Gasse einen Jungen der mit andern ein wehrlos vor ihnen gehendes Dienstmädchen mit einem großen Ball bewarf, gerade als dem Mädchen der

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