Tagebücher
Gefühle las. Aber seine Stimme ward kleinlaut, er weinte und gab das Buch seinem Nachbar. Eine heilige Stelle rief er aus mit einer Innigkeit, die uns alle erschütterte"
"Wir saßen zu mittage und hatten eben das letzte verzehrt, als Goethe einen Kuchen beorderte "weil der Voß noch so hungrig aussähe"
"Nie aber ist er angenehmer und liebenswürdiger, als des Abends in seinem Zimmer wenn er ausgezogen ist oder auf dem Sopha sitzt. "
"Als ich zu ihm kam, fand ichs gar behaglich bei ihm. Er hatte eingeheizt, hatte sich ausgezogen bis auf ein wollen Wämmschen, worin der Mann sich gar prächtig ausnimmt. "
Bücher Stilling, Goethe Jahrbuch
Briefwechsel zwischen Rahel und D. Veit.
12 III 12
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In der vorübereilenden Elektrischen saß in einem Winkel, die Wange an der Scheibe den linken Arm die Lehne entlanggestreckt ein junger Mann in offenem um ihn sich aufbauschendem Überzieher und sah über die lange leere Bank mit beobachtenden Blicken hin. Er hatte sich heute verlobt und dachte an nichts anderes. Er fühlte sich gut aufgehoben im Zustand eines Bräutigams und sah in diesem Gefühl manchmal flüchtig zur Decke des Wagens hinauf. Als der Schaffner kam, um ihm die Fahrkarte zu geben, fand er unter Klimpern leicht das richtige Geldstück, legte es im Schwunge in die Hand des Schaffners und ergriff die Karte mit zwei scherenförmig ausgebreiteten Fingern. Es bestand kein richtiger Zusammenhang zwischen ihm und der Elektrischen und es wäre kein Wunder gewesen, wenn er ohne Platform und Treppe zu benützen auf der Gasse erschienen und seinen Weg zu Fuß mit gleichen Blicken verfolgt hätte.
Nur der sich aufbauschende Überzieher bleibt bestehn, alles andere ist erdacht.
16. III 12 Samstag Wieder Aufmunterung. Wieder fasse ich mich, wie die Bälle, die fallen und die man im fallen fängt. Morgen, heute fange ich eine größere Arbeit an, die ungezwungen nach meinen Fähigkeiten sich richten soll. Ich werde nicht von ihr ablassen, so lange ich nur kann.
Lieber schlaflos sein, als so hinzuleben.
Kabaret Lucerna. Einige junge Leute singen jeder ein Lied. Ist man frisch und hört zu, so wird man durch einen derartigen Vortrag eher an die Folgerungen erinnert, welche der Text auf unser Leben erlaubt, als dies durch den Vortrag geübter Sänger geschehen kann. Denn die Kraft der Verse wird durch den Sänger keinesfalls vergrößert, sie behalten ihre Selbständigkeit und tyrannisieren uns mit dem Sanger der nicht einmal Lackstiefel hat, dessen Hand vom Knie einmal nicht loswill und wenn sie muß, noch ihren Widerwillen zeigt, der sich möglichst rasch auf die Bank hinwirft um die Menge kleiner ungeschickter Bewegungen, die er dafür aufbieten muß, möglichst wenig sehen zu lassen. - Liebesszene im Frühling in der Art der Photographieansichtskarten. Treue, das Publikum rührende und beschämende Darstellung. - Fatinizza, Wiener Sängerin. Süßes inhaltsvolles Lachen.
Erinnerung an Hansi. Ein Gesicht mit unbedeutenden, meist auch zu scharfen Details vom Lachen zusammengehalten und ausgeglichen. Unwirksame Übermacht über das Publikum, die man ihr zusprechen muß, wenn sie an der Rampe steht und in das gleichgültige Publikum lacht. - Dummer Tanz der Degen mit fliegenden Irrlichtern, Zweigen, Schmetterlingen, Papierfeuern, Totenkopf. - 4
Roking Girls. Eine sehr schön. Kein Teaterzettel nennt ihren Namen. Sie war die äußerste rechts vom Zuschauerraum. Wie sie beschäftigt die Arme warf, wie die dünnen langen Beine mit zarten spielenden Knöchelchen in besonders fühlbar stummer Bewegung waren, wie sie das Tempo nicht einhielt wie sie aber durch kein Erschrecken in ihrem Beschäftigtsein sich stören ließ, was für ein sanftes Lächeln sie hatte im Gegensatz zu dem verzerrten der andern, wie ihr Gesicht und Haar fast üppig war im Vergleich zur Magerkeit des Körpers, wie sie den Musikanten "langsam" zurief auch für ihre Mitschwestern. Ihr Tanzmeister, ein junger auffallend angezogener magerer Mensch stand hinter den Musikanten und winkte rythmisch mit einer Hand weder von Musikanten noch von den Tänzerinnen beachtet und selbst mit seinen Blicken im Zuschauerraum. - Warnebold, feurige Nervosität eines kräftigen Menschen. In Bewegungen manchmal ein Witz, dessen Macht einen erhebt. Wie er nach der Ankündigung der Nummer mit großen Schritten dem Klavier zueilt.
Gelesen "aus dem Leben eines Schlachtenmalers" Flaubert zufrieden vorgelesen.
Der Mann in Stulpstiefeln im
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