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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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dem Augenwinkel die Buchstaben zu erhaschen suchen. War mit Melchior Lechter in Indien, erkrankte an Dysenterie, ißt alles, jedes Obst, das er auf der Straße im Staub liegen sieht. - Pachinger hat einer Leiche einen silbernen Keuschheitsgürtel abgesägt, hat die Arbeiter, welche sie ausgegraben haben, irgendwo in Rumänien, beiseitegeschoben, hat sie mit der Bemerkung beruhigt, daß er hier eine wertlose Kleinigkeit sehe, die er sich als Andenken mitnehmen wolle, hat den Gürtel aufgesägt und vom Gerippe heruntergerissen. Findet er in einer Dorfkirche eine wertvolle Bibel oder ein Bild oder ein Blatt das er haben will, so reißt er, was er will, aus Büchern, von den Wänden, vom Altar, legt als Gegengabe ein 2hellerstück hin und ist beruhigt. - Liebe zu dicken Weibern. Jede Frau, die er hatte, wird photographiert. Stoß von Photographien, den er jedem Besucher zeigt. Sitzt in der einen Sophaecke, der Besucher, von ihm weit entfernt, in der andern. Pachinger sieht kaum hin und weiß doch immer, welche Photographie an der Reihe ist und gibt danach seine Erklärungen: Das war eine alte Witwe, das waren die zwei ungarischen Dienstmädchen u. s. w. - Über Kubin: "Ja, Meister Kubin, Sie sind ja im Aufschwung, in 10 bis 20 Jahren können Sie, wenn es so anhält eine Stellung wie Bayros haben. "

    Brief Dostojewskis an eine Malerin. Das gesellschaftliche Leben geht im Kreis vor sich. Nur die mit einem bestimmten Leiden Behafteten verstehn einander. Sie bilden kraft der Natur ihres Leidens einen Kreis und unterstützen sich. Sie gleiten an den innern Rändern ihres Kreises entlang, lassen einander den Vorrang oder schieben im Gedränge einer sanft den andern. Jeder spricht dem andern zu in der Hoffnung einer Rückwirkung auf sich oder, dann geschieht es leidenschaftlich, im unmittelbaren Genuß dieser Rückwirkung. Jeder hat nur die Erfahrung, die ihm sein Leiden gestattet, trotzdem hört man unter solchen Genossen den Austausch ungeheuerlich verschiedenartiger Erfahrungen. "Du bist so" sagt einer zum andern "statt zu klagen, danke Gott dafür daß Du so bist, denn wärest Du nicht so dann wärest Du in diesem oder jenem Unglück, in dieser oder jener Schande. " Woher weiß das nun dieser Mann? Er gehört doch, das verrät dieser Ausspruch, zu dem gleichen Kreis wie der Angesprochene, seine Trostbedürftigkeit ist gleicher Art. Im gleichen Kreis weiß man aber immer das Gleiche. Es gibt nicht den Hauch eines 171
    Gedankens, den der Tröstende vor dem Getrösteten voraus hätte. Ihre Gespräche sind daher nur Vereinigungen der Einbildungskraft, Übergüsse der Wünsche von einem auf den andern. Einmal sieht der eine zu Boden, und der andere einem Vogel nach, in solchen Unterschieden spielt sich ihr Verkehr ab. Einmal einigen sie sich im Glauben und sehen beide Kopf an Kopf in unendlichen Richtungen der Höhe. Erkenntnis ihrer Lage zeigt sich aber nur dann wenn sie gemeinsam die Köpfe senken und der gemeinsame Hammer auf sie niedergeht.

    14 (Juni 1914)

    Mein ruhiger Gang, während es um den Kopf zuckt und ein über den Kopf schwach schleifender Ast mir das ärgste Unbehagen macht. Ich habe die Ruhe, ich habe die Sicherheit anderer Menschen in mir aber irgendwie am verkehrten Ende

    19. VI (1914) Die Aufregungen der letzten Tage. Die Ruhe die von Dr. W. auf mich übergeht. Die Sorgen die er für mich trägt. Wie sie heute früh, als ich um 4 nach festem Schlafe aufwachte, in mich übersiedelten. Pistekovo divadlo. Löwenstein! Jetzt der grobe aufregende Roman von Soyka.
    Angst. Überzeugung der Notwendigkeit von F.

    24 VI 14 Elli erzählt:

    "Liebster Schatzi! Ich sehne mich nach Deinem elastischen Körper"

    Wie wir uns, O. und ich, austoben in Wut gegen Menschenverbindungen.

    Das Grab der Eltern in dem auch der Sohn ("Pollak, Handelsakademiker") begraben ist.

    25 VI 14

    Vom frühen Morgen an bis jetzt zur Dämmerung gieng ich in meinem Zimmer auf und ab. Das Fenster war offen, es war ein warmer Tag. Der Lärm der engen Gasse trieb ununterbrochen herein.
    Ich kannte schon jede Kleinigkeit im Zimmer durch das Anschauen während meines Rundganges.
    Alle Wände hatte ich mit den Blicken abgestreift. Dem Muster des Teppichs und seinen Altersspuren war ich bis in die letzten Verzweigungen nachgegangen. Den Tisch in der Mitte hatte ich vielemal mit Fingerspannen abgemessen. Zum Bild des verstorbenen Mannes meiner Wirtin hatte ich schon die Zähne oft gefletscht. Gegen Abend trat ich zum Fenster und setzte mich auf die

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