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Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Titel: Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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Sprenglers eine heile Familie waren. Vielleicht war es ihre eigene Sehnsucht nach einer heilen Familie, die sie da auf diese Menschen projiziert hatte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass reiche Menschen nicht glücklich sein könnten. „Aber warum sind Sie dann nicht Konzertgeiger geworden, wenn es ihm egal war?“
    „Dafür hätte ich von Kindheitsbeinen an täglich Geige üben müssen.“
    „Und warum haben Sie das nicht getan?“
    „Meine Eltern hatten mir zum vierten Geburtstag eine Geige geschenkt. Es war das schönste Geburtstagsgeschenk meines Lebens. Ich bin nachts aufgestanden und habe sie immer wieder in die Hand genommen, sie fühlte sich so gut an. Meine Mutter hat mir einen Geigenlehrer spendiert.“ Nils Sprengler schwieg und schaute ins Leere.
    „Was ist dazwischen gekommen?“, fragte Judith.
    „Die Klinik? Tante Linda? Meine Schwester?“ Nils schüttelte den Kopf. „Meine Schwester durfte malen. So viel und so lange sie wollte. Sie wurde gefördert. Sie ist so begabt, so kreativ, sie ist wundervoll.“
    „Und Sie durften nicht Geige spielen?“
    „Doch, doch. Schon. Ein bisschen. Aber es gab so viel anderes. Tante Linda hat sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, um mich zu faszinieren, mich für die Klinik, für den Beruf zu interessieren. Da blieb einfach keine Zeit mehr.“
    „Soll das heißen, dass Ihre Tante verhindert hat, dass Sie Geige lernten?“
    „Gelernt habe ich ja, aber sie hat mir kaum Zeit gelassen zu üben. Alles andere war wichtiger.“
    „Was hat Ihre Mutter denn dazu gesagt?“, fragte Judith.
    „Meine Mutter hat sich vor allem um Carlotta gekümmert. Carlotta sollte Malerin werden.“
    „Das hört sich an, als ob ausschließlich Tante Linda für Ihre Erziehung zuständig gewesen ist“, sagte Judith.
    „Sie war mir mehr eine Mutter als meine eigene. Ja, wenn Sie es so ausdrücken wollen, Tante Linda hat sich um mich gekümmert wie um ihren eigenen Sohn. Sie hatte ja keine Kinder.“
    „Warum hat sie nie geheiratet?“
    „Sie ist mit der Klinik verheiratet“, sagte Nils.
    „Und Ihre Schwester? Was hat Ihr Vater dazu gesagt, dass sie Malerin werden sollte?“
    „Es war ihm egal. Mein Vater lebte in seiner eigenen Welt. Und das war eine künstlerische, vielleicht eine künstliche Welt. Er hat sich nicht viel für die Familie interessiert. Außer für Tante Linda. Weil sie seine Partnerin war in der Klinik und dafür gesorgt hat, dass er genügend Geld hatte für sein teures Hobby.“
    „Hat Ihre Mutter Ihre Tante dafür nicht gehasst?“
    „Wie kommen Sie denn darauf!“ Nils Sprengler schien ehrlich erstaunt. Er schüttelte den Kopf.
    „Nein, nein, meine Mutter und Tante Linda waren immer ein Herz und eine Seele. Wir lebten alle unter einem Dach.“
    „Und Ihre Mutter hat sich nicht dagegen aufgelehnt, dass Ihre Tante Ihre Erziehung in die Hand genommen hat?“
    „Ich kann mich nicht erinnern“, sagte Nils Sprengler während die Kellnerin die Vorspeise brachte.
    Judith lehnte sich zurück. Mütter gab es, die gab’s gar nicht. Es würde interessant sein, Mutter und Tante getrennt zu interviewen. Nils Sprengler fing an ihr leid zu tun.
    „Sie sagten, dass Ihre Eltern mit Ihrer Tante in einem Haus gelebt haben. Sie lebten also alle in dieser Villa in Westend?“, fragte Judith.
    „Die Villa ist die Klinik. Wir lebten früher alle gemeinsam in der Remise. Jetzt wohnen da nur noch meine Tante und meine Mutter.“
    „Und Ihre Schwester, was macht sie?“
    „Carlotta lebt in Juan-les-Pins in Frankreich.“
    „Ist sie Malerin geworden?“
    „Ja, natürlich. Erzählen Sie mir von sich, Judith“, sagte Nils Sprengler.
    Was sollte sie ihm erzählen. Was konnte sie ihm überhaupt erzählen? Dass sie verletzt war, alleine, verlassen von Sven, dem Mann, mit dem sie geglaubt hatte, eine Zukunft zu haben? Dass sie ihre Brötchen in einer Bar verdienen musste anstatt dem Pulitzer-Preis nachjagen zu dürfen? Dass sie im Auftrag von Alice von Kaldenberg für 400 € hinter ihm her schnüffelte?
    „Es gibt nicht viel von mir zu erzählen“, meinte sie.
    „Das glaube ich nicht. Sie haben so einen faszinierenden Beruf!“
    Judith vertiefte sich in die winzige Vorspeise. „Wie kam Ihr Vater eigentlich dazu, Kunst zu sammeln?“, fragte sie, während sie mit der Gabel in den abgezählten Salatblättern stocherte.
    Nils lachte. „Das liegt wohl in der Familie. Schon meine Urgroßeltern haben Kunst gesammelt.“
    „Daher die Ölschinken“,

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