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Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Titel: Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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um zu seiner Klinik zu fahren. Sie hoffte, dass er nicht würde operieren müssen, denn sie war sich sicher, dass seine Hände genauso zitterten wie ihre Knie, als sie die Treppen zu ihrer Behausung hochstieg.
    Sie warf sich auf ihr zusammengeklapptes Ektorp-Sofa und lauschte dem Summen in ihrem Kopf. Es hörte sich an wie ein ganzer Bienenstock. Obwohl sie todmüde war, wusste sie, dass sie nicht schlafen konnte. So was wie Nils Sprengler war ihr noch nie passiert. Nicht, dass sie je eine Nonne gewesen wäre, das nun wirklich nicht. Aber dieser Mann hatte bei ihr irgendeinen Schalter umgelegt.
    Entschlossen stand sie auf und öffnete ihren Computerschrank. Sie musste dringend Ordnung in ihren Bienenstock bringen. Während sie den Computer hochfuhr, entschied sie, dass sie sehr gut diesen freien Tag dazu nutzen könnte, um ihrem Vater den kaputten Bilderrahmen zu bringen, der in braunes Packpapier eingepackt an der Wand lehnte. Aber erst mal legte sie einige Dateien an. Eine für Nils Sprengler, eine für seinen Vater, eine für Linda Sprengler und eine für die Mutter.
    Was hatte sie über Nils Vater erfahren? Sie tippte alles, was ihr einfiel:
    Kümmerte sich nicht viel um die Familie, überließ Kindererziehung seiner Frau und seiner Schwester, versuchte Gemälde wiederzubekommen – was sie sofort fett, kursiv und unterstrichen markierte – lebte für seine Kunst, suchte nach seinen Wurzeln . Nach seinen Wurzeln? Was hatte Nils damit gemeint? Wieder fett, kursiv und unterstrichen.
    War mit Bernie Goldsmith befreundet.
    Nun ja, das war nun absolut nicht neu. Sie öffnete die Datei von Linda Sprengler.
    Sie lügt, wenn sie sagt, dass Maskierte sie überfallen haben. Sie hat Nils davon abgehalten, Konzertgeiger zu werden. Sie hat dafür gesorgt, dass er in ein Leben als Plastischer Chirurg hineinwächst. Sie versteht sich gut mit ihrer Schwägerin. Sie lebt für die Klinik.
    Und was wusste sie über ihre Schwägerin?
    Sabine Sprengler kümmerte sich kaum um Nils, überließ die Erziehung des Jungen der Schwägerin. Kümmerte sich dafür umso mehr um ihre Tochter Carlotta. Lebt seit über 35 Jahren zusammen mit ihrer Schwägerin und ihrem Ehemann in einem Haus.
    Auch nicht erhebend viel. Um Nils Sprengler hatte sie sich bis zum Schluss gedrückt. Seufzend öffnete sie seine Datei und vermerkte:
    Nils Sprengler: geboren mit Zettel am Zeh: Plastischer Chirurg. Berufswunsch: Konzertgeiger. Fan von Bernie Goldsmith. Hauptsächlich erzogen von Linda Sprengler. Dachwohnung in Charlottenburg, riesiges Wohnzimmer mit Kamin, grauer Sitzlandschaft, dunkellila Ledersessel, Bilder von Schwester Carlotta an den Wänden. Bilder strahlen Einsamkeit aus. Große Dachterrasse mit vielen Koniferen in Steintrögen. Graues Marmorbad mit dunkellila Handtüchern, Schlafzimmer mit gelben Wänden und schräger Decke und einem Bett.
    Toll, Judith, sagte sie sich, er hat ein Bett. Wahnsinnserkenntnis.
    Bett aus Kirschbaum. Blaue Lackküche. Isst zum Frühstück Müsli und trinkt Cappuccino. Fährt BMW-Cabrio. Viel zu langer Oberkörper, Hängeschultern, Schlafzimmerblick.
    Genialer Liebhaber.
    Das Letzte strich sie ersatzlos, speicherte alles ab und schloss den Computer. Sie hatte nichts und fühlte sich wie eine Versagerin. Nein, schlimmer, wie eine Verräterin. So unprofessionell konnte man doch gar nicht sein. Der erste Recherchetermin und schon war sie mit dem Kerl ins Bett gegangen. Etwa aus Recherchegründen?
    Sie war so sauer auf sich selbst, dass sie am liebsten die fast vergessene Rasierklinge ganz hinten im Medizinschränkchen rausgeholt hätte. Aber das mit dem Ritzen hatte sie ja unter Kontrolle, ehrlich. Sie schmiss die Tür des alten Schrankes zu und stiefelte in ihr winziges Duschbad. Um sich unter der Dusche seinen Geruch abzuseifen, ihn zu entfernen von ihrem Körper, restlos. Sie schrubbte, bis ihre Haut wund war. Und dann wickelte sie sich in ein dickes Handtuch, setzte sich auf den geschlossenen Klodeckel und zerfloss in Selbstmitleid. Vorsichtig betastete sie den Verband hinten an ihrem Kopf. Er war nass geworden und begann sich zu lösen.

Judith in Blankenfelde
    Zwei Stunden später war Judith in Blankenfelde. In ihrer alten Datscha direkt am Bahndamm hatte ihr Vater sich seine Werkstatt eingerichtet. Sie liebte diese Datscha. Erinnerungen an unbeschwerte Kindertage. Schwimmen im Rangsdorfer See. Der Geruch von Brause. Rittersporn und Ringelblumen, Mutter, die Johannisbeergelee kochte und Vater, der jede freie Minute

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