Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
der Affe fing an zu schreien, und dann sah sie im Augenwinkel, dass Nils gerade ins Esszimmer gelaufen kam. Judith rannte so schnell sie konnte zu dem hohen, schmiedeeisernen Tor, das das Atrium vom Garten trennte. Das Tor ließ sich schwer öffnen und sie verschenkte wertvolle Sekunden, in denen Nils schnell näher kam. Sie ließ das Tor hinter sich zufallen und rannte zwischen verwilderten Bohnen und Wicken auf dem Weg zur Gartenpforte. Sie betete, dass die Pforte geöffnet war. Dann sah sie, dass von innen ein großer Schlüssel steckte. Sie schloss die Pforte auf, zog den Schlüssel ab. Nils war direkt hinter ihr, fast konnte sie seinen keuchenden Atem auf ihrem Rücken fühlen. Sie schlüpfte durch die Tür und versuchte sie zu schließen. Nils drückte von innen dagegen.
„Judith, was soll der Quatsch“, rief er, „bleib doch stehen.“ Mit zitternden Händen, gegen die Pforte gelehnt, versuchte sie den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Hatte sie eine Chance?
Von ferne hörte sie den hohen Sirenenton eines Polizeiwagens. Oder war es die Feuerwehr? Judith hatte keine Ahnung, zu Hause konnte sie die unterschiedlichen Tatütatas unterscheiden, hier hörte sie einfach nur ein Martinshorn. Nils drückte gegen die Tür, sie hatte keine Chance, die Gartenpforte abzuschließen.
„Ach, Scheiße“, hörte sie ihn fluchen, dann hörte der Druck auf die Gartenpforte plötzlich auf. Sie schloss die Tür von draußen ab und steckte den Schlüssel zur Vorsicht in ihre Handtasche. Hatte er aufgehört, ihr zu folgen? Sie hörte, wie der Wagen mit dem Tatütata vor dem Haus mit quietschenden Bremsen hielt. Deshalb also war er zurück ins Haus gegangen. Hatte er die Polizei gerufen? Oder die Feuerwehr? Was sollte sie jetzt tun? Hingehen und gucken? Auf keinen Fall.
Sie entfernte sich so schnell sie konnte in Richtung der größeren Straße. Die Straßen waren so früh am Morgen menschenleer. Wo sollte sie jetzt hin, was sollte sie tun? Sie hatte keine Uhr umgebunden, bei der ganzen Panik, Mist, die lag noch im Schlafzimmer. Was würde Nils der Polizei erzählen? Ihren Namen nennen? Siedend heiß fiel ihr ein, dass man sie wahrscheinlich suchen würde. Also konnte sie unmöglich zum Bahnhof oder zum Flughafen. Aber wohin sollte sie jetzt? Direkt zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Aber was eigentlich sollte sie anzeigen?
Sie hatte keine Ahnung, was passiert war. Am liebsten hätte sie Alice angerufen. Aber sie konnte ihre Chefin ja unmöglich morgens um, ja, wie spät war es eigentlich? Vier Uhr, halb fünf? Sie lief geradeaus durch die menschenleeren Straßen von Juan-les-Pins. Natürlich hatte sie keine Ahnung wo sie war. Sie musste dringend mit jemandem reden.
Hüseyin! Natürlich, das war es. Hüseyin würde sie auch mitten in der Nacht erreichen können. Seine Nummer war auf dem Handy, das Lady Kaa ihr gegeben hatte, gespeichert. Er meldete sich mit einem kurzen ‚Ja'. Vor Erleichterung hätte sie fast geheult. Sie stammelte eine Entschuldigung, dass sie ihn so spät in der Nacht gestört hätte.
„Ich bin in New York, wie du weißt“, sagte er, „hier ist es nicht mitten in der Nacht.“
„Oh, klar“, entfuhr es ihr. „Hüsy, ich habe ein Problem.“ Und dann erzählte sie ihm, was gerade passiert war. Wahrscheinlich hörte sie sich genauso konfus an wie sie es tatsächlich war.
„Warum rufst du nicht Alice an“, sagte Hüsy. „Die hat immer eine Idee, wie du da unbeschadet rauskommst“, sagte er. „Auf keinen Fall würde ich einstweilen zurück ins Haus gehen, und auch den Bahnhof und den Flughafen würde ich meiden.“
„Aber ich kann doch nicht mitten in der Nacht Lady Kaa anrufen“, sagte Judith.
„Doch, sie wäre stinksauer, wenn du es nicht machen würdest, für solche Fälle hat sie immer ihr Telefon auf dem Nachttisch liegen. Ich glaube, sie hat eh Schlafstörungen wegen ihrer Schmerzen. Los, nicht zögern, Judith, ruf sie an. Ich war leider noch nie in Juan-les-Pins, ich habe keine Ahnung, wie du da wegkommst.“
Judith nickte. Das konnte er natürlich nicht sehen.
„Danke Hüsy“, flüsterte sie. Hätte sie lauter gesprochen, wäre die gesamte Gegend aufgewacht. Sie schaute sich um, in der Ferne hatte sie ein Auto gehört, das irgendwo gehalten hatte. Wurde sie bereits verfolgt? Sie rannte um die nächste Ecke und versteckte sich hinter einem Baum. Und richtig, sie musste nicht lange warten, bis das Auto, das sie gehört hatte, um die Ecke bog. Gott sei Dank war der
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