Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Job, wie er ihn bei Alice hatte, nie angenommen. Das hatte eine Carlotta auch nicht nötig, an dem nötigen Kleingeld hatte es ihr nie gemangelt. Hüseyin musste zugeben, dass er in der Vergangenheit oft ein bisschen neidisch gewesen war auf Kollegen, die von zu Hause jede Unterstützung bekamen. Er hätte von seinem Vater auch jede Unterstützung bekommen. Wenn er BWL studiert hätte oder auch, wenn er sich einfach selbstständig gemacht hätte, eine Konservenfabrik eröffnet oder ein Restaurant oder ein Reisebüro – kein Problem, Vater hätte ihm alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt und ihn großzügig mit Krediten vollgestopft.
„Was willst du werden? Maler? Das ist doch nur was für Schwule! Bist du verrückt? Damit wirst du nie in deinem Leben einen Pfennig Geld verdienen.“ Hüseyin schüttelte die Erinnerung an dieses unerquickliche Ende seines Lebens in seiner Familie ab. Sein Vater hatte ihn verstoßen.
„Frühes Mittelalter“, hatte er zu seinem Vater gesagt, hatte seine Klamotten in einen Koffer gepackt und war abgehauen zu einem Freund. Am nächsten Tag hatte er sich eine Zeitung gekauft und nach einem Job gesucht, mit dem er in den nächsten Monaten erst mal über die Runden kommen konnte.
„Suche Studenten, der alles macht.“ Hüseyin hatte gelacht, als er die Anzeige gelesen hatte. Das war jetzt sechs Jahre her. Er hatte sich sein Studium hart verdienen müssen bei Alice von Kaldenberg. „All das wird dir später einmal nützen, Häschen“, hatte Alice zu ihm gesagt, als sie wieder mal gemeinsam einen Mörder zur Strecke gebracht hatten. Auch das verstand Alice nämlich unter „alles“.
Hüseyin hatte von Bernies Sekretärin einige Termine in New Yorker Galerien bekommen. Er musste sich beeilen, um seinen ersten Termin bei Martha Henley Inc., Fine Arts, wahrnehmen zu können. Sie saß mit ihrer Galerie auf dem West Broadway in Soho. Zunächst ging es ihm nur um Klatsch und Tratsch der Szene. Für ihn natürlich auch eine wunderbare Gelegenheit sich vorzustellen. Martha Henley entpuppte sich als eine ältere Kunsthändlerin, die ihn mit ihrem eingeschlagenen Nackenknoten an seine Deutschlehrerin erinnerte. Martha Henley fragte natürlich sofort nach Bernie Goldsmith, Hüseyin war klar, dass er die Frau überhaupt nicht interessierte, ihr der Kontakt zu Bernie aber wichtig war. Er fragte, ob Martha Henley Sigurd Sprengler gekannt habe.
„Natürlich, den kannte wohl jeder renommierte Galerist in New York“, sagte sie und bot ihm ein Mineralwasser an.
„Hat er nach speziellen Werken bei Ihnen gesucht?“
„Ja, es war allgemein bekannt, dass er bestimmte Impressionisten gesucht hat, die früher in Familienbesitz gewesen waren. Wenn einer von uns so etwas angeboten bekommen hätte, dann hätten wir ihn sofort kontaktiert. Aber da wird Ihnen Mort Eisenman bestimmt mehr darüber erzählen können, er hat für Sprengler überall aufgekauft.“
„Wie kommt es, dass ausgerechnet Eisenman genau die Bilder hatte, die Sprengler wollte?“, fragte Hüseyin.
„Das war wohl Zufall, zumindest am Anfang. Eisenman war ein Bild angeboten worden, und bevor es in die Versteigerung ging, hat er Sprengler darauf angesprochen. Danach hat er dann für Sprengler gesucht, hat weltweit seine Kontakte spielen lassen bei bekannten Sammlern. Halt, nein, das stimmt nicht, das erste Bild kam wohl über Eisenmans Vater“, sagte sie.
„Sein Vater war auch Kunsthändler?“, fragte Hüseyin.
„Ja, er hat eine Galerie in Los Angeles und Niederlassungen in Paris und London. Sie sind spezialisiert auf Impressionisten und alles davor. Also alte Meister, vorzugsweise flämische alte Meister. Sehr guter Ruf.“
„Und der Sohn hat die Galerie hier in New York geführt?“
„Er hat bei seinem Vater gelernt und später dann die New Yorker Galerie eröffnet. Hatte sich aber im Gegensatz zu seinem Vater auf die Moderne spezialisiert, bevorzugt auf zeitgenössische Amerikaner.“
„Seltsam, dass ausgerechnet er dann plötzlich Impressionisten verkauft“, sann Hüseyin.
„Isaac Eisenman ist vor einigen Jahren gestorben. Sein Sohn hat das Geschäft übernommen, kannte es ja sowieso in- und auswendig. Da fallen einem dann schon mal solche Werke in den Schoß.“ Martha Henley seufzte, so dass Hüseyin dachte, dass es genau das war, was sie jetzt brauchte: ein Meisterwerk, das ihr in den Schoß fiel.
„Sie stellen auch moderne Maler aus“, sagte Hüseyin. „Ich bin auch Maler.“
„Ich stelle nur
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