Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
prominente Maler aus, um neue Talente aufzubauen, bin ich einfach zu alt, mein Sohn. Wenn Sie allerdings eine Galerie suchen, in der Sie ausstellen können, dann kann ich Ihnen hier eine Adresse geben.“ Martha Henley überreichte ihm eine Karte. „Das ist meine Nichte, sie baut sich gerade in TriBeCa eine Galerie auf. Wenn Sie wollen, mache ich gern einen Termin für Sie.“ Natürlich wollte Hüseyin. Martha Henley griff auch sofort zum Telefon und rief ihre Nichte an. Er hörte, wie sie sagte: „Er ist ein Freund von Bernie Goldsmith.“ Es war hier wie überall auf der Welt: Ich stelle dich aus, wenn du mir die Promis bringst, die Promis bringen mir die Medien, die Medien bringen mir Käufer. Hüseyin war klar, dass er hier mit Stolz nicht weiterkommen würde. Er bedankte sich herzlich bei Martha Henley, nachdem er zugestimmt hatte, am nächsten Nachmittag bei Deborah Wilson vorbeizuschauen.
Kahnfahrt in die Vergangenheit
Der Fährmann hatte bereits auf sie gewartet. Im Kahnhafen des Hotels Zur Bleiche stieg Linda in den schaukelnden Spreewaldkahn. Sie fiel fast auf die Bank, die mit dicken Decken gepolstert war, die sie sich jetzt am frühen Morgen gegen die Kälte über die Beine legte. Ein paar Hotelgäste, die zu einem frühen Frühstück unter freiem Himmel rund um den Hotelhafen gekommen waren, beobachteten sie beim Einsteigen.
Es würde ein schöner Tag werden, dachte sie, die ersten Sonnenstrahlen warfen ihr Licht durch das grüne Dach über dem Hafen, und ließen das brackige Wasser grünlich schimmern. Man hatte ihr ein leichtes Frühstück angerichtet, mit Lachs und Kräuterquark, mit einem gekochten Ei und einem Glas Champagner.
„Fertig?“, fragte der Fährmann und dann ging es los. Linda kannte diese Tour, sie hatte sie einige Male mit Sabine gemacht, sie fühlte sich im Spreewald jedes Mal wie in einem schönen Traum. Das leise plätschernde Wasser, die Vögel, die sich von Baum zu Baum unterhielten, das schützende Laub über ihr, das leise im Morgenwind raschelte, vermittelten ihr ein fast märchenhaftes Gefühl der Geborgenheit. Sie fuhren vorbei an Bauernhäusern, an Feldern und Auen, sie hörte einen Hahn krähen und eine Ziege meckern. Aber es war vor allem dieses Licht, diese Bündel von Licht, die hier und dort durch das dichte Grün brachen, wie gebündelte Hoffnungsschimmer, dass doch noch alles gut werden würde. Das Licht am Ende des Tunnels? Gab es das für sie überhaupt noch? Linda schloss die Augen, der Champagner hatte sie ein wenig wehmütig gemacht.
An die nachfolgenden Monate nach ihrer ersten Nacht mit Siggi konnte sie sich kaum erinnern. Sie hatte aufgehört zu leben. Linda ging wie immer zur Schule und nervte ihren Vater mit ihren Plänen, Plastische Chirurgin zu werden. Er fand, das sei kein Beruf für Frauen. Sie hatten sich erbittert deshalb gestritten. Siggi schickte lange Briefe, die so falsch klangen wie ein verstimmtes Klavier. Er erging sich in langatmigen Beschreibungen über New York, seine Kommilitonen, die Professoren. Dabei wollte Linda hören, wie sehr sie ihm fehlte. Als er in diesem Jahr zu Weihnachten nach Hause kam, kam er ihr vor wie ein Fremder. Schon als sie ihn am Flughafen Tempelhof zur Begrüßung umarmte, spürte sie, wie er sie abwehrte und darauf bedacht war, Abstand zu ihr zu halten. Sie war kreuzunglücklich. Jede Minute dieses Jahres hatte sie nur an ihn gedacht, nachts versuchte sie sich an ihn zu erinnern, an seinen Geruch, an das Gefühl, ihn in ihr zu spüren. Und er verhielt sich ihr gegenüber wie jemand, dem man gerade mal auf einer Party vorgestellt worden war. Auch zu Hause verhinderte er, dass sie allein waren. Linda sehnte sich nach einem lieben Wort von ihm, nach einer Berührung, einer Geste, dass er sie genauso vermisste wie sie ihn. Nichts, nichts, nichts. Sie weinte nachts in ihre Kissen, während er vor dem Schlafengehen sein Zimmer abschloss.
Am 3. Januar brachte Linda ihn zusammen mit ihrem Vater zum Flughafen Tempelhof. Vater suchte noch einen Parkplatz, während Siggi und Linda bereits mit seinem Koffer durch die riesige Empfangshalle mit dem glänzenden Boden zum Check-in gingen.
„Siggi, du fehlst mir so sehr“, sagte Linda und hielt ihn am Ärmel fest. Und dann sah sie sie, die Tränen in seinen Augen.
„Ich liebe dich so sehr“, flüsterte er und gab ihr einen brüderlichen Kuss auf die Wange.
„Ich liebe dich auch“, sagte Linda und wollte ihn zu sich ranziehen.
„Nicht Lindi, nicht“, sagte er und
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