Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Der schwarze Scenic hatte ihn rechts überholt und brauste jetzt von dannen. „Waren nixe ihre Verlobte, ware nur Verrückter“, sagte Daniele.
Judith hatte Angst in diesem Auto an einem Herzstillstand zu verenden. Aber bis Genua ging alles gut. Daniele fuhr zwar wie ein Henker, aber sie wurden nicht verfolgt. Und auch Daniele wurde nicht übergriffig. Wahrscheinlich wollte er von Judith für seine Wahnsinnsfahrkünste gelobt werden. Das würde sie sich aufheben für später, dachte sie. Kurz vor Genua war der Flughafen ausgeschildert. Daniele setzte den Blinker.
„Wir fahren direkt zum Flughafen, Judith holen Flugkarte und wenn Zeit, dann ich laden schöne Frau ein zum Essen“, sagte er. Judith nickte Gott ergeben. Das hatte sich Daniele wohl verdient.
Linda schläft ein
Linda spürte, wie sie immer schläfriger wurde. Roch es nicht doch nach Gas, fragt sie sich? Es war wohl eine Sinnestäuschung, sagte sie sich und hustete. Das Schlucken fiel ihr immer schwerer. Der Durst, vermutlich. Sie war bereits seit über zwanzig Stunden hier eingesperrt. Aber so schnell halluzinierte man nicht. Ihr Kopf dröhnte.
Linda merkte, dass das Atmen ihr immer schwerer fiel. Das kann doch eigentlich nicht sein, dachte sie, hier läuft schließlich eine Klimaanlage. Dann hatte sie eine Idee, bei der es ihr heiß wurde. Und wenn die mich hier einfach vergasen?, fragte sie sich. Ich werde an einer Gasvergiftung sterben, dachte sie. Aber das ist Blödsinn, was haben die davon, ich verhungere und verdurste hier, da braucht man sich nicht so eine Mühe zu machen.
‚Oh doch, Lindi, die Mühe müssen sie sich machen, denn du könntest ja in letzter Minute noch gerettet werden.‘
„Du willst, dass wir bald wieder zusammen sind, was, Siggi“, sagte sie laut.
‚Ja, Lindi, so wie früher, bevor Sabine alles versaut hat‘, sagte er. Linda nickte müde.
Sie versuchte sich zu erinnern, wie es angefangen hatte. Beziehungsweise, was zuerst da war. War es Siggis Leidenschaft für die Bilder, oder war es die Leidenschaft ihrer Schwägerin für Linda? Siggi hatte angefangen, sich für Kunst zu interessieren. Und nicht nur für die Gemälde, die sie von ihren Vorfahren geerbt hatten, sondern auch für moderne Kunst, die er plötzlich zu sammeln begann. Linda fand die Dinger zwar scheußlich, aber die mussten ja nicht in ihrer Wohnung hängen, sondern verschwanden sofort in diesem Loch hier. Siggi reiste immer häufiger zu Auktionen in die USA, er hatte sich vorgenommen, die Suche ihres Vaters nach Nora Braun fortzusetzen. Und wie fand man Nora Braun am besten? Natürlich über die Bilder, mit denen ihr Vater Richard Braun abgefunden hatte. Aber die Bilder blieben verschwunden, ebenso wie Nora Braun.
Über Nora Braun hatten die Geschwister ihren einzigen wirklichen Streit. Linda war Nora Braun herzlich egal. Und es war ihr egal, was aus den Bildern geworden war, in wessen klimatisierten Gefängnis sie wohl hängen würden. Sie konnte nicht eine Sekunde nachvollziehen, wieso jemand Millionen ausgab, um sich ein Gemälde zu kaufen, das dann in einem dunklen, klimatisierten Raum ohne Zugang zur Außenwelt verschwand. Für Linda gehörten alte und neue Meister ins Museum.
Je mehr sie sich gegen seine Käufe und seine Nora Braun-Manie stemmte, desto obsessiver wurde Siggi, es war, als ob er die Leidenschaft, die er einmal für Linda empfunden hatte, auf die Bilder verlagert hätte. Ja, Linda war eifersüchtig, dass es etwas außerhalb ihrer Welt für ihn gab. Gleichzeitig fing er an, sich für verschiedene karitative Vereine stark zu machen. WorldKidAid, Linda musste lachen, als er damit ankam.
Hatte er mit seinen riesigen Spenden versucht, sein Gewissen rein zu waschen? Dafür hatte er sich aber herzlich wenig um seine eigenen Kinder gekümmert.
Linda übernahm die Erziehung von Nils, während Biene sich um Carlotta kümmerte. Carlotta kam mehr nach Biene, sie war ein fast durchscheinendes Wesen, das Linda nie so ganz geheuer war. Im Gegensatz zu ihrer Mutter als sie jung war, fehlte Carlotta das Weiche, das Plüschige, sie war so eckig und wirkte so verletzlich, dass Linda mit ihr kaum umgehen konnte. Linda hatte Angst, sie zu zerbrechen.
Nils war ein anderes Kaliber. Er sah nicht nur aus wie Siggi früher, er hatte auch seine Ernsthaftigkeit.
Sie schenkten ihm zu Weihnachten eine Geige. Linda würde nie seine leuchtenden Kinderaugen vergessen, als er mit dem Bogen dem Instrument den ersten Ton entlockte. „Hast du gehört, Tante
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