Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
in Rudyard Kiplings Roman mit hypnotischem Blick auf die beiden Frauen. Ob die beiden wussten, dass Alice nichts mehr hasste, als unterbrochen zu werden?
„Fangen wir doch einfach mit den Fakten an“, sagte Alice und setzte eine halbe, grüne Lesebrille auf. Judith bemerkte, dass sogar die Lesebrille farblich perfekt auf den Designerstuhl abgestimmt war.
„Fakt ist“, sagte Alice, „dass die Leiche von meinem alten Freund Professor Dr. Sigurd Sprengler am 3. Mai um 5.30 Uhr morgens in New York im Central Park von dem joggenden Investmentbanker Jonathan McGill unter einem Busch aufgefunden wurde.
Was Jonathan McGill unter dem Busch gefunden hatte, war kein schöner Anblick. Der Leichnam eines weißen, älteren Mannes, der mit mehreren Messerstichen getötet wurde, ist nie ein schöner Anblick. Für die New Yorker Cops aber war es vor allem ein ziemlich aussichtsloser Fall von Raubmord. Außer der teuren, zum Teil europäischen Kleidung, wies nichts auf die Identität des Opfers hin. Keine Uhr, kein Schmuck, keine Geldbörse, keine Kreditkarten, keine ID-Karte, kein Führerschein, kein Handy. Aber dann zeigte sich, dass die Maßnahmen der Heimatschutzbehörde bei der Einreise nach New York effektiv waren: Anhand seiner Fingerabdrücke und seiner biometrischen Daten konnte der Ermordete als Prof. Dr. Sigurd Sprengler aus Berlin ermittelt werden.
Bernhard Goldsmith war außer einem Taxifahrer der Letzte, der Sigurd Sprengler lebend gesehen hatte. Dabei freute sich Sprengler auf den kommenden Tag, als er das Apartment von Bernie im San Remo am Central Park West gegen 23.00 Uhr verlassen hatte. Anhand von Sprenglers Mageninhalt konnte die Todeszeit auf circa 1.00 Uhr festsetzt werden.
Der Taxifahrer, den die Polizei ermitteln konnte, war nach mehreren eher unverständlichen Wutanfällen bereit, eine Aussage zu machen. Nein, er war mit keinem Fahrgast an dem bewussten Abend zur Wohnung von Sprengler in Morningside Heights gefahren. Der Europäer, der aus dem San Remo gekommen war, hatte sich in der Höhe 108. Straße West absetzen lassen.
Für den Zeitpunkt des Todes von Sigurd Sprengler hatte der in Haiti geborene Taxifahrer allerdings ein Alibi, das sich in den Aufzeichnungen des Polizeireviers in der 119. Straße befand. Der cholerische Kutscher hatte zu diesem Zeitpunkt in der Madison Avenue die Stoßstange eines nicht minder cholerischen Kollegen pakistanischer Herkunft geküsst. Der Streit über das bereits vorher zerbeulte Stück Blech war dermaßen eskaliert, dass die Cops diese zwei Perlen des New Yorker Taxigewerbes mit Gewalt trennen mussten.
Obwohl der Polizeichef seinen Beamten reichlich Bestäubung gab, verlor sich die Spur des Opfers in Höhe 108. Straße Central Park West. Nur ein Zufall, wie zum Beispiel das Auftauchen der Philippe Patek von Sprengler oder der Gebrauch seiner Kreditkarten, hätte die Cops noch vor der Kapitulation retten können. Oder eine Aussage von Bernie Goldsmith. Aber der hatte gute Gründe, seine Vermutungen für sich zu behalten. Sein Name, so fand er, gehörte in die Feuilletons dieser Welt und nicht in die Polizeinachrichten und schon gar nicht in die Skandalblättchen.
Und so wurde der Leichnam von meinem alten Freund Professor Dr. Sigurd Sprengler von den Behörden freigegeben und nach Berlin überführt. Als Sprengler in Berlin auf dem Waldfriedhof unter großer Anteilnahme der Berliner Gesellschaft und der Neugier der Berliner Medien beigesetzt wurde, spielte Bernie Goldsmith mit Nils Sprengler Bach.
Stimmen wir soweit überein?“
Alle Anwesenden hatten gelauscht, allerdings hatte Lady Kaa nichts berichtet, was nicht allgemein bekannt war.
Würde sie irgendein Kaninchen aus dem Hut zaubern?
„Bernhard Goldsmith, bekanntlich Exmann Nummer Zwei, hatte mich bereits vor der Beerdigung gebeten, im Fall Sprengler zu ermitteln.“
„Wieso das denn?“, fragte Sabine Sprengler.
„Weil mein Exer etwas von Siggi erfahren hatte, was er nicht der Polizei mitteilen wollte.“
„Und das wäre?“, fragte Linda.
„Bitte, Oliwia“, sagte Lady Kaa, setzte die grüne Brille ab und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Oliwia schaltete den Bildschirm ein.
„Hallo, Berlin!“ Bernie Goldsmith saß auf seiner Couch im San Remo.
„Hallo Bernie.“
„Onkel Bernie.“
Die in Berlin Versammelten sahen auf dem Bildschirm Bernhard Goldsmith in seinem Apartment sitzen.
„Wir haben uns zu einer kleinen Videokonferenz entschlossen und begrüßen unseren Kollegen Hüseyin
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