Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Eisenman.
„Wir wären nie darauf gekommen, warum Sie das verheimlicht haben, wenn uns in Berlin nicht mehrere kleine Missgeschicke auf den Grund gebracht hätten.“
„Da ich bin aber sehr gespannt“, sagte Mort Eisenman, der ein gutes, aber nicht akzentfreies Deutsch sprach.
„Wir erinnern uns“, sagte Alice, „dass Judith an ihrem ersten Arbeitstag auf der Treppe der Sprenglerschen Klinik schwarz vor Augen wurde. Instinktiv hatte sie sich an der Wand festgehalten und dabei ein Bild heruntergerissen. Der Zufall wollte es, dass Judiths Vater ein renommierter Möbelrestaurator ist. Judith bat Nils also darum, ihren Vater den Schaden beheben zu lassen.“
„Ja klar, war doch kein Problem, es war schließlich nur ein altes, nachgemaltes Bild in einem zugegeben sehr hübschen Rahmen“, sagte Nils.
„Judith brachte das Bild also ihrem Vater. Und hier passierte nun das zweite kleine Missgeschick. Ihr Vater hatte das Bild an seine Werkbank gelehnt. Beim Zurechtrücken eines Sofas, das er gerade restauriert hatte, stolperte er und trat mit dem Absatz in das Bild in dem leicht ramponierten Rahmen. Die Leinwand des Bildes riss. Habe ich das so richtig wiedergegeben, Herr Schilling?“
Judiths Vater nickte.
„Dann erzählen Sie doch bitte weiter, was passiert ist“, sagte Alice.
Judiths Vater räusperte sich. „Ich war völlig außer mir, ich wollte doch, dass meine Tochter Ehre einlegt mit meiner Arbeit, stattdessen habe ich das Ding kaputt gemacht. Der Rahmen war nicht das Problem, wenn der meine Werkstatt verlässt, sieht er besser aus als vorher. Aber die Leinwand des Bildes war gerissen. Auch wenn Judith gesagt hatte, dass das Bild an sich wertlos sei, es sah gut aus und alt war es auch, also, ich war in Panik. Und deshalb habe ich das Bild zu Egon Romanowski gebracht.“ Wolfgang Schilling zeigte auf den Mann neben sich.
„Wir haben früher am Gorki-Theater zusammen gearbeitet, Egon hat sich in seiner Freizeit auf die Restaurierung von alten Gemälden spezialisiert.“
„Und das hat den Stein ins Rollen gebracht“, sagte Alice. „Aber bevor wir hören, was Egon zu sagen hat, gab es eine andere Begebenheit, die uns alle erschüttert hat. Carlotta hatte eines der von ihr namentlich geerbten Bilder zur Versteigerung freigegeben. Gehe ich richtig in der Annahme, Nils, dass du Carlotta umstimmen wolltest, als du zusammen mit Judith nach Juan-les-Pins gefahren bist?“
Nils nickte. „Ich konnte doch nicht zulassen, dass sie so kurz nach dem Tod unseres Vaters das Familienvermögen verschleudert“, sagte er. „Carlotta war rauschgiftsüchtig, sie hätte das Geld aus dem Verkauf des Bildes innerhalb kürzester Zeit in Heroin umgesetzt.“
„Carlotta ist in der Nacht, in der ihr in Juan-les-Pins wart, an einer Überdosis Rauschgift gestorben. Ist das richtig so?“
„Ja, leider“, sagte er mit belegter Stimme.
„Du bist Arzt. Und du konntest ihr nicht mehr helfen?“, fragte Alice mit hochgezogener Augenbraue.
„Nein, als ich sie gefunden habe, war sie bereits tot. Sie hatte sich den goldenen Schuss gesetzt. Die Polizei ermittelt noch, von wem sie den offensichtlich unverschnittenen Stoff erhalten hatte“, sagte er.
Alice nickte. „Ja, das war eine Frage, die wir uns auch gestellt haben. Und vor allem haben wir uns die Frage gestellt, wer hatte etwas davon, dass Carlotta starb. Judith hat in jener Nacht sehr schnell getickt und dich, Nils, als Verdächtigten ausgemacht.
War es möglich, dass du deine Schwester getötet hast, damit sie nicht euer Erbe verschwendet? Ja, es war möglich. Und in Anbetracht der Tatsache, dass du Judith mitgenommen hast nach Juan-les-Pins, auch durchaus wahrscheinlich. So konntest du dir ein wunderbares Alibi verschaffen. Pech nur, dass Judith aufgewacht war.
War es vielleicht sogar möglich, dass du es warst, der den Mord an deinem Vater in Auftrag gegeben hat, damit er nicht die Sammlung an WorldKidAid vermacht? Judith hatte dich an dem Abend angerufen, als Elke, die im Übrigen ebenfalls meine Mitarbeiterin ist, überfallen wurde. Und du hast so getan, als ob nichts passiert sei. Das hat Judith stutzig gemacht, aber sie konnte wohl nicht mehr zurück. Wieso hast du Judith den Überfall eigentlich verheimlicht?“, fragte Alice.
„Ich wollte nicht, dass sie Angst kriegt“, sagte Nils.
„Deshalb hat Judith sich auch vollkommen richtig verhalten, indem sie die Flucht antrat“, sagte Alice.
Judith war rot geworden, die Flucht nach Genua würde wohl ihr
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