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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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sich hinein und setzte seinen Zylinder etwas schiefer. »Meiner Ansicht nach hoffen sie alle, wir würden ertrinken, Dirk.« Robb war dreiunddreißig Jahre alt, dunkelhaarig, glattrasiert bis auf einen kräftigen Backenbart und hatte tiefliegende Augen und eine schmale Nase. Seine Kleidung war schwarz bis auf einen Umhang aus grünem Samt, ein weißes gefälteltes Hemd und eine weiße Krawatte. Hemd- und Manschettenknöpfe waren aus Rubinen. »Mein Gott, ist das etwa Kapitän Glessing?« fragte er, die Augen unverwandt auf das Land gerichtet.
    »Ganz richtig«, antwortete Struan. »Ich habe es für ratsam gehalten, ihn die Proklamation verlesen zu lassen.«
    »Und was hat Longstaff zu deinem Vorschlag gesagt?«
    »›Wahrhaftig, Dirk, einverstanden, wenn Sie es für klug halten.‹« Er verzog das Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Wir haben allerhand geschafft, seit wir angefangen haben.«
    »Du, Dirk. Als ich hierherkam, war schon alles getan.«
    »Du hast den Kopf, Robb. Ich nur die Muskeln.«
    »Jawohl, Tai-Pan. Nichts als die Muskeln.« Robb war es völlig klar, daß sein Stiefbruder der Tai-Pan von Struan & Co. war und daß der Tai-Pan von ganz Asien Dirk Struan hieß. »Ein herrlicher Tag für das Heißen der Flagge, was?«
    »Und ob.«
    Robb betrachtete ihn, als er sich wieder der Küste zuwandte. Er wirkte so riesig, als er nun dort im Bug stand, größer als die Berge und genauso hart. Wäre ich nur ein Kerl wie er, dachte Robb.
    Robb war nur ein einziges Mal, kurz nach seiner Ankunft im Osten, beim Opiumschmuggel dabeigewesen. Chinesische Piraten hatten ihr Schiff angegriffen, und Robb war von lähmender Angst befallen worden. Er schämte sich dessen noch immer, obwohl Struan gesagt hatte: »Nicht so schlimm, mein Junge. Der erste Kampf ist immer eine scheußliche Sache.« Aber Robb wußte, daß er kein Kämpfer war. Er war nicht tapfer. Er diente seinem Stiefbruder auf andere Weise. Er war es, der den Tee, die Seide und das Opium einkaufte. Er sorgte für Kredite und bewachte das Silber. Er war es auch, der sich auf die immer komplizierteren Vorgänge im internationalen Handel und Finanzierungsgeschäft verstand. Er hielt ein Auge auf seinen Bruder, die Gesellschaft, ihre Flotte und sicherte sie ab. Er verkaufte den Tee in England. Er führte die Bücher und tat all die Dinge, die für das Funktionieren eines modernen Unternehmens erforderlich waren. Das wohl, sagte Robb zu sich, aber ohne Dirk bist du ein Nichts.
    Struan musterte die Leute am Strand. Das Langboot war noch immer zweihundert Yards von der Küste entfernt, aber er konnte die Gesichter deutlich erkennen. Die meisten waren dem Langboot zugewandt. Struan lächelte vor sich hin.
    Na, dachte er, da wären wir also alle an diesem schicksalsschwangeren Tag versammelt.
    Der Seeoffizier, Kapitän Glessing, wartete geduldig darauf, mit der Flaggenparade beginnen zu können. Er war sechsundzwanzig, Kapitän auf einem Linienschiff, Sohn eines Vizeadmirals, und er war mit Leib und Seele bei der Royal Navy. Am Strand wurde es nun rasch immer heller, der Himmel am östlichen Horizont war mit hellen Wolken gefleckt.
    In ein paar Tagen gibt es Sturm, dachte Glessing und zog den Wind prüfend ein. Er wandte seine Augen von Struan ab und musterte, einer Gewohnheit folgend, den Ankerplatz seines Schiffes, einer Fregatte mit 22 Kanonen. Es war ein denkwürdiger Tag in seinem Leben. Daß neues Land im Namen der Königin in Besitz genommen wurde, geschah nicht oft, und daß er die Proklamation verlesen durfte, konnte sich auf seine Karriere nur günstig auswirken. Es gab in der Flotte viele Kapitäne, die rangälter waren als er. Aber er wußte, daß die Wahl auf ihn gefallen war, weil er die Gewässer hier wie seine Hosentasche kannte und weil sein Schiff, die H.M.S. Mermaid, sich in diesem Krieg besonders ausgezeichnet hatte. Leider gar kein richtiger Seekrieg, dachte er voller Verachtung. Eher ein Zwischenfall, der schon vor zwei Jahren hätte beigelegt werden können, wenn Longstaff, dieser Idiot, nur kein solcher Feigling wäre. Und wenn man mir erlaubt hätte, mit meiner Fregatte bis vor die Tore von Kanton zu segeln. Verdammt noch mal, ich hatte eine ganze elende Flotte von Kriegsdschunken versenkt, und der Weg lag frei vor mir. Ich hätte Kanton unter Beschuß genommen, diesen heidnischen Teufel, den Statthalter Ling, gefangengesetzt und ihn an einer Rahe aufgehängt.
    Zornig stieß Glessing mit dem Fuß einen Stein auf dem Strand weg. Ich nehme es

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