Tai-Pan
sich die beiden Schiffe wieder. Brocks Lorcha trieb mit brennenden Segeln weiter voraus. Struans Schiff richtete sich langsam auf, legte sich dann wie betrunken nach steuerbord über, rollte wieder zurück, blieb einen Augenblick so liegen und senkte sich dann gefährlich nach backbord.
Struan ergriff die Ruderpinne und drückte sie mit aller Kraft zur Seite. Nur widerwillig gehorchte die Lorcha. Als der Wind in die Segel einfiel, nahm Struan Kurs auf die Küste, in der verzweifelten Hoffnung, daß er sie auf Grund setzen könnte, bevor sie sank.
Beide Segel von Brocks Schiff brannten. Struan wußte, daß man die Taue kappen und neue Segel setzen mußte. Plötzlich bemerkte er, daß sein Deck um zehn Grad nach backbord überhing – nach der Seite also, die nicht aufgerissen worden war. Er arbeitete sich das schräge Deck hinauf und starrte den riesigen Riß an, den der Rammsporn hinterlassen hatte. Die untere Grenze des Lecks befand sich nur knapp einen Zoll unterhalb der Wasserlinie, und Struan wurde klar, daß der Rammstoß die Kisten mit den Silberbarren auf die andere Seite des Laderaums befördert hatte. Das Gewicht des Silbers hielt nun das Schiff unverändert in dieser Lage. Er brüllte Wung zu, das Ruder zu ergreifen und das Schiff auf dem gleichen Kurs zu halten.
Dann packte er das Kampfeisen, kroch nach vorn und jagte, seine Waffe schwingend, ein paar Mann unter Deck. Auf dem Weg in den Laderaum warf er einen Blick auf May-may und Ah Gip, die unverletzt, aber etwas mitgenommen in den Trümmern der großen Kajüte hockten.
»Geht nach oben! Bum-bum nehmen!«
Im Laderaum sah es wüst aus. Kisten waren zerbrochen, und überall lagen Silberbarren verstreut. Die noch heilen Kisten waren an Backbord zusammengeschoben, und durch das Leck strömte Wasser ein. Die Männer drehten am Eingang um, aber er trieb sie tiefer in den Laderaum hinein und ließ sie die kleinen Brände, die durch verschüttete Kohlenglut entstanden waren, löschen.
Fluchend und gestikulierend machte er ihnen klar, sie sollten die Kisten noch weiter nach backbord hinüberschieben und sie dort aufstapeln. Bis zu den Knöcheln im Wasser befolgten die Chinesen seine Anweisungen. Die Angst zu ertrinken saß ihnen zwar im Nacken, aber eine noch größere Furcht jagte ihnen die gefährliche eiserne Peitsche ein. Die Lorcha legte sich bedenklich auf die Seite, sie ächzte in ihren Verstrebungen, aber das Leck hob sich langsam aus dem Wasser. Struan holte das Reserve-Kreuzsegel hervor und begann, das Leinen in die aufgerissene Seite des Schiffes hineinzustopfen, wobei er ein paar Silberbarren als Keile benutzte.
»Zum Teufel noch mal!« brüllte er. »Schnell-schnell!«
Die übrige Mannschaft eilte zur Hilfe herbei, und bald war das Leck abgedichtet. Struan machte den Leuten ein Zeichen, das Reserve-Großsegel mitzunehmen, und trieb sie an Deck zurück.
May-may hielt noch immer die Pistole und Ah Gip die Muskete umklammert. Wung, von Furcht gelähmt, hatte das Schiff auf dem richtigen Kurs gehalten. Struan drängte die Männer aufs Vorschiff, zog mit ihrer Hilfe das Großsegel unter Bug und Rumpf des Schiffes durch und befestigte es dann an den Seiten. Der Sog des Wassers straffte das Segel über dem Leck.
Noch einmal zwang er die Leute, nach unten zu gehen. Nachdem die Leinwand, mit der er das Leck verstopft hatte, noch fester verkeilt war, ließ er sie die übrigen Kisten erneut verschieben, um die Schlagseite nach backbord etwas auszugleichen.
Dann kehrte er an Deck zurück und überprüfte das Tauwerk des Großsegels. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß es noch fest verzurrt war und hielt, atmete er erleichtert auf. »Du in Ordnung, May-may?«
»Was-ah?« fragte sie.
»Du verletzt?«
»Können.« Sie zeigte auf ihr Handgelenk. Es war wund geschlagen und blutete. Er untersuchte es sorgfältig. Es schmerzte zwar, schien aber nicht gebrochen. Er goß Rum über die Wunde, trank dann selber einen tiefen Schluck und blickte geradeaus. Brocks Lorcha trieb mit der Strömung. Groß- und Vorsegel und das Takelwerk brannten lichterloh. Er beobachtete, wie die Mannschaft die Takelage durchhieb und die Segel über Bord gingen. Sie brannten noch einen Augenblick im Wasser weiter. Dann herrschte völlige Finsternis. In der Nähe befanden sich ein paar Dschunken und Sampans, aber keins dieser Boote war der brennenden Lorcha zu Hilfe gekommen.
Struan spähte voraus. Six Rock Channel – ein nur wenig bekannter Wasserweg – lag leewärts vor
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