Tai-Pan
stellen, wenn du's für richtig hältst.
»Heja, May-may, geh unten!«
»Mich zusehen. Können, macht nichts.«
Struan ergriff die zweite Muskete und reichte sie Ah Gip. »Geh unten, jetzt!«
Beide Frauen gingen nach unten.
»Wung-ah, holen Seh-Licht zwei.«
Wung brachte eine zweite Laterne, und Struan zündete beide an. Dann legte er sich die Pfeile und die beiden Bogen zurecht. Jetzt bleibt uns nichts anderes mehr übrig, sagte er zu sich.
Brocks Lorcha befand sich zweihundert Yards entfernt luvwärts. Allmählich wurde der Verkehr auf dem Fluß dünner. Die beiden Schiffe waren allein. Sogleich legte sich Brocks Lorcha über und schoß auf ihn zu. Struans Mannschaft fuhr auseinander und rannte zum Schandeck auf Backbord hinüber. Die Männer hängten sich in die Wanten, jederzeit bereit, über Bord zu springen. Nur Wung blieb mit Struan auf dem Achterdeck stehen.
Struan konnte Gorth jetzt deutlich erkennen; er stand am Ruder, und seine Mannschaft war auf die Gefechtsstationen verteilt. Mit den Blicken suchte er das Deck nach Brock ab, konnte ihn aber nirgends entdecken und fragte sich, welche Teufelei er jetzt ausheckte. Als die Lorchas nur noch fünfzig Yards voneinander entfernt waren, drückte Struan die Ruderpinne herum, so daß die Lorcha träge dümpelnd im Wind lag und Gorth das Heck zuwandte. Gorth, der auf der Luvseite blieb, holte rasch auf, und Struan wußte, daß Gorth viel zu schlau war, um ihn leeseitig anzugehen. Er machte Wung ein Zeichen, das Ruder zu übernehmen und den Kurs zu halten, nahm sich den Bogen und die Pfeile und duckte sich hinter dem Schandeck nieder. Dann steckte er die Spitze des einen Pfeils in die Flammen der Laterne. Die ölgetränkten Streifen flammten sofort auf; er erhob sich und zielte. Die Lorcha war dreißig Yards entfernt. Von Warnrufen begleitet, flog der Pfeil in einem flammenden Bogen durch die Luft und traf mitten auf das Großsegel. Durch den Aufprall aber wurde die Flamme gelöscht.
Gorth brüllte seiner Mannschaft etwas zu. Die Lorcha kam noch näher heran. Da traf der zweite Pfeil. Er bohrte sich in das Großsegel, blieb stecken, und ein Funkenregen ging über dem Deck nieder. Das Schießpulver, das sich in der getränkten Polsterung befand, zündete und explodierte mit Stichflammen. Unwillkürlich drückte Gorth das Ruder herum, und das Schiff fiel ab, wobei es unter der Heftigkeit des Manövers erbebte.
Struan hatte schon einen dritten Pfeil bereit. Als die Lorcha vorüberrauschte, schoß er auch diesen ab und sah, wie er sich in das große Vorsegel bohrte. Flammen begannen an der Leinwand entlangzulecken. Erleichtert drückte er die Ruderpinne herum und ging wieder schärfer an den Wind. Er sah, wie Brock von unten an Deck gestürzt kam, Gorth beiseite stieß, das Ruder ergriff und das Schiff herumholte. Dann riß Brock das Ruder scharf herum, richtete sein Schiff mittschiffs auf Struans Steuerbordseite und schnitt ihm so den Fluchtweg ab.
Struan hatte wohl Brocks Manöver erwartet, aber seine Lorcha gehorchte dem Ruder nicht. Er wußte, dies war das Ende. Er zündete den letzten Pfeil an und wartete, mit seinem ganzen Gewicht gegen die Ruderpinne gepreßt; hoffentlich würde die Lorcha dem Druck gehorchen. Brock stand auf dem Achterdeck und brüllte die Mannschaft an, die sich verzweifelt bemühte, das Feuer zu ersticken. Ein Haufen brennender Takelage fiel neben Brock auf Deck, aber er beachtete es nicht, sondern konzentrierte sich ausschließlich auf die Stelle mittschiffs an Steuerbord, die er sich für den Rammstoß ausgesucht hatte.
Struan zielte sorgfältig, und als die Lorcha nur noch fünfzehn Yards entfernt war, schoß er. Der Pfeil schlug in die Aufbauten neben Brocks Kopf, aber Brocks Lorcha hielt Kurs. Struans Schiff begann nun träge herumzukommen, aber es war schon zu spät. Struan verspürte den Stoß, unter dem alles erbebte, und hörte das entsetzliche Krachen splitternden Holzes, als der Rammsporn von Brocks Lorcha die Steuerbordseite aufriß. Struans Schiff legte sich schwer auf die Seite und wäre fast gekentert. Struan wurde zu Boden geschleudert.
In einem Funkenregen, der aus der brennenden Takelage auf ihn herabstob, rappelte sich Struan wieder auf. Die von Panik ergriffenen Chinesen kreischten, Brocks Leute stießen ein wildes Gebrüll aus, als sich beide Mannschaften aus dem brennenden Wirrwarr zu befreien versuchten. Durch den entsetzlichen Tumult hörte Struan Brocks Stimme: »Bitte um Entschuldigung!« Dann trennten
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