Tai-Pan
schwöre es Ihnen. Dieser Hund hat mich überlistet, als ich Ihnen was geschworen habe, was 'ne Lüge war, und das verzeihe ich ihm nicht. Scraggers Eid ist so gut wie der Ihre!«
»Ja. Natürlich. Aber glauben Sie, ich könnte einem Mann trauen, der seinen Herrn wie eine Ratte verkauft?«
»Is' nich' mein Herr. Wu Fang Tschoi is' mein Herr und kein anderer. Nur ihm habe ich Treue geschworen, keinem anderen. Da haben Sie meinen Eid drauf.«
Struan sah Scragger prüfend an. »Ich werde über diese Mittsommernacht nachdenken.«
»Sie haben meinen Eid. Will den Kerl tot sehen. Was liegt denn schon zwischen einem Mann und der Hölle – doch bloß sein Eid. Das Schwein hat mir den meinen gestohlen, hol ihn der Teufel, und drum will ich ihn tot sehen, damit er mir dafür zahlt.«
»Wo sind die Jungen?«
»Sollen sie zu feinen Herren erzogen werden, wie Sie sagten?«
»Beeilen Sie sich, ich will weg.«
Scragger wandte sich um und pfiff in die Finsternis. Drei kleine schattenhafte Gestalten tauchten aus den Sampans auf. Vorsichtig gingen die Jungen die schwankende Laufplanke entlang auf festen Boden und eilten dann den Pfad hinauf. Struan betrachtete die Jungen erstaunt, als sie ins Licht traten. Der eine von ihnen war Chinese. Einer war Eurasier.
Und der letzte war ein verwahrloster kleiner Bengel, ein Engländer. Der Chinese trug kostbare Gewänder, sein Zopf war dick und sorgfältig geflochten. Er hatte eine Tasche bei sich. Die beiden anderen hatten schmutzige Anzüge nach dem Vorbild der englischen Knabenkleidung an. Aber die Gehröcke waren aus selbstgewobener Wolle, die kleinen Zylinder zerbeult, und auch Hosen und Schuhe waren hausgemacht und grob zusammengenäht. Über den Schultern trug jeder von ihnen einen Stock, an dessen Ende ein Bündel baumelte.
Alle Jungen versuchten verzweifelt – und ohne Erfolg, ihre Unruhe zu verbergen.
»Das ist Wu Pak Tschuk«, erklärte Scragger. Der Chinese verbeugte sich ängstlich. »Er is' Wu Fang Tschois Enkel. Einer von seinen Enkeln, aber nicht von Wu Kwok. Und diese da sind meine eigenen Kinder.« Er deutete stolz auf den kleinen Bengel, der unwillkürlich zusammenzuckte. »Das is' Fred. Er ist sechs. Und der da is' Bert, sieben.«
Er machte eine leichte Handbewegung. Beide Jungen nahmen ihre Hüte ab, verbeugten sich und murmelten in ihrer Angst irgend etwas Unverständliches. Dann blickten sie ihren Vater wieder an, um festzustellen, ob sie es richtig gemacht hatten. Bert, der Mischling, hatte seinen Zopf unter dem Hut zusammengerollt getragen; jetzt hatte er sich gelöst und fiel ihm über den Rücken. Das Haar des anderen Jungen war schmutzig und wie das seines Vaters mit einem Stück geteerter Hanfschnur im Nacken zusammengebunden.
»Kommt mal her, Jungs«, sagte Struan mitleidig.
Der kleine Engländer ergriff die Hand seines Halbbruders, und die beiden traten langsam auf ihn zu. Dann blieben sie stehen und wagten kaum zu atmen. Der Engländer wischte sich mit dem Handrücken etwas Rotz von der Oberlippe.
»Bist du Fred?«
»Ja, Euer Gnaden«, flüsterte er kaum hörbar.
»Sprich lauter, Junge«, rief Scragger, und der Junge stieß hervor: »Jawohl, Euer Gnaden, ich bin Fred.«
»Ich bin Bert, Euer Gnaden.« Der Mischling begann zu zittern, als Struan ihn ansah. Er war ein großer, hübscher Junge mit schönen Zähnen und goldener Haut, der größte von den dreien.
Nun sah Struan Wu Pak an. Der Junge senkte die Augen und trat nervös hin und her.
»Spricht er kein Englisch?«
»Nein. Aber Bert spricht seine Sprache. Und Fred kennt einige Wörter. Berts Mutter ist aus Fukien.« Scragger wurde es immer unbehaglicher zumut.
»Wo ist deine Mutter, Fred?«
»Tot, Euer Gnaden«, brachte der Junge mühsam hervor. »Sie ist tot, Sir.«
»Sie ist vor zwei Jahren gestorben. Der Skorbut hat sie erwischt«, erklärte Scragger.
»Gibt es Engländerinnen bei Ihnen in der Flotte?«
»Einige schon. Zurück mit euch, Jungen«, befahl er, und seine Söhne flüchteten sich dorthin, wo er hingedeutet hatte, und blieben außer Hörweite regungslos stehen. Wu Pak zögerte, dann rannte auch er zurück und trat dicht neben sie.
Scragger senkte die Stimme. »Freds Mutter war 'n Sträfling. Auf zehn Jahre deportiert, weil sie mitten im Winter Kohlen gestohlen hatte. Ein Priester in Australien hat uns getraut, aber er war ein Abtrünniger, so gilt es vielleicht nich'. Trotzdem – wir wurden getraut. Bevor sie starb, habe ich ihr geschworen, alles für den Jungen zu
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