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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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ich. Alle chinesischen Sklaven nennen ihre Herrin ›Mutter‹. Ebenso wie Ah Sam dich ›Vater‹ nennt.«
    »Tut sie das?«
    »Alle Sklaven nennen den Herrn des Hauses ›Vater‹. Es ist eine alte Sitte und etwas sehr Höfliches. So hat also Ah Tat, Marys Sklavin, Ah Sam erzählt. Ah Sam, die eine nichtsnutzige, faule Made ist und die Peitsche verdient, hat es ihrer ›Mutter‹ erzählt. Also mir. Es ist wirklich ganz einfach. O ja, und um absolut korrekt zu sein, müßtest du, wenn du Chinesisch sprechen könntest, Ah Sam ›Tochter‹ nennen.«
    »Warum willst du eigentlich mit Mary sprechen?«
    »Es ist so einsam, wenn man sich nicht unterhält. Ich werde nur kantonesisch reden, keine Sorge. Sie weiß, daß ich hier bin.«
    »Woher denn?«
    »Ah Sam hat es Ah Tat erzählt«, antwortete sie, als müßte sie es einem Kind erklären. »Es ist ganz natürlich, daß Ah Tat eine so interessante Nachricht ihrer Mutter – also Mary – mitgeteilt hat. Diese alte Hure Ah Tat ist ein Jadebergwerk von Geheimnissen.«
    »Ist Ah Tat eine Hure?«
    »Mein Himmel, Tai-Pan, ist doch nur eine Redensart. Du solltest wirklich ins Bett zurück. Heute früh bist du sehr einfältig.«
    Er trank seinen Tee aus und schob seine Tasse weg. »Kein Wunder, wenn man sich all diesen Unsinn anhören muß. Ich werde mit Longstaff zu Mittag essen, dabei kann ich Mary benachrichtigen. Um wieviel Uhr soll ich sagen?«
    »Danke, Tai-Pan, nicht nötig. Ah Sam wird besser sein. Dann weiß niemand außer den Dienstboten, und sie alle wissen es ohnehin.« Lim Din öffnete die Tür. Er war Struans persönlicher Diener und gleichzeitig Koch, ein kleiner, untersetzter Mann, etwa Mitte Fünfzig, sehr ordentlich und appetitlich in seiner schwarzen Hose und der weißen, weiten Jacke. Er hatte ein rundliches, zufriedenes Gesicht und lebhafte, listige Augen. »Maste'. Missie und Maste' kommen sehen. Können?«
    »Was für ein Master?« Struan war erstaunt, daß jemand so unhöflich sein konnte, uneingeladen zu erscheinen.
    Lim Din zuckte die Achseln. »Maste' und Missie. Wissen wollen, was Maste', was Missie?«
    »Ach, schon gut«, antwortete Struan und erhob sich vom Tisch.
    »Erwartest du Besuch?« fragte May-may.
    »Nein.« Struan ging aus dem Zimmer und in das kleine Vorzimmer. Er öffnete die Tür auf der anderen Seite und schloß sie wieder hinter sich. Nun befand er sich im Gang, der zu einer Diele und zu den in sich abgeschlossenen Räumen im vorderen Teil des Hauses führte. In dem Augenblick, in dem er den Gang betrat, wußte er, daß der eine der Besucher Shevaun war. Ihr Duft, ein besonderes türkisches Parfüm, hatte einen zarten Hauch in der Luft zurückgelassen und sie verändert.
    Sein Herz schlug schneller, und sein Ärger verflog, während er den Gang entlangging. Seine Halbstiefel aus weichem Leder klangen hart auf den Steinplatten. Dann bog er in das Wohnzimmer ab.
    »Hallo, Tai-Pan«, sagte Shevaun.
    Shevaun war zwanzig und graziös wie eine Gazelle. Sie trug das dunkelrote Haar, dunkler als das Struans, in langen Locken. Die üppigen Brüste unter dem grünen Samt des nicht allzu tief ausgeschnittenen Kleides ließen ihre schlanke Taille noch graziler erscheinen. Ihre schmalen Knöchel und kleinen Füße waren unter dem Dutzend Unterröcke kaum zu sehen. Die Schute war ebenfalls grün, der Sonnenschirm von leuchtendem Orangerot.
    Wahrhaftig, dachte Struan, mit jedem Tag wird sie hübscher.
    »Guten Morgen, Shevaun. Guten Morgen, Wilf.«
    »Guten Morgen. Ich bitte zu entschuldigen, daß wir uneingeladen hier erscheinen.« Wilf Tillman schien sich in seiner Haut ganz und gar nicht wohl zu fühlen.
    »Aber ich bitte dich, Onkel«, sagte Shevaun vergnügt, »es ist doch eine gute, alte amerikanische Sitte, jemandem zu einem Haus zu beglückwünschen?«
    »Aber wir sind nicht in Amerika, meine Liebe.« An diesem Tag wünschte Tillman, er wäre es. Und Shevaun glücklich mit Jeff Cooper verheiratet und er die Verantwortung für sie los. Hol der Teufel Shevaun. Und hol der Teufel Jeff, dachte er. Ich wünsche mir, daß dieser Mann endlich offiziell um ihre Hand anhielte. Dann könnte ich ganz einfach die Heirat bekanntgeben, und damit wäre auch das erledigt. Aber diese ewige Unentschlossenheit ist lächerlich. ›Man muß ihr Zeit lassen. Wir haben reichlich Zeit‹, sagte Jeff ständig. Aber, hol's der Teufel, ich weiß ganz genau, wie wenig Zeit wir noch haben, jetzt – da Struan keine Frau mehr hat. Ich bin fest davon überzeugt, daß

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