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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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gellend.
    »Hör auf!« brüllte er und ergriff ihren Arm, aber sie stieß ihn wie eine Besessene von sich. »Hör auf!«
    Er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie taumelte kraftlos zurück und fiel aufs Bett. Ihre Augenlider zitterten, und sie verlor das Bewußtsein.
    Struan brauchte eine Weile, um das Hämmern in seinen Ohren zu überwinden. Er zog die Bettdecke hoch und bedeckte May-may.
    »Ah Sam! Lim Din!«
    Die beiden entsetzten Gesichter tauchten neben der zerstörten Tür auf.
    »Tee – schnell-schnell! Nein. Holt Branntwein.«
    Lim Din kehrte mit der Flasche zurück. Struan hob May-mays Kopf sanft an und half ihr trinken. Sie verschluckte sich ein wenig. Dann zuckten ihre Lider, und sie schlug die Augen auf. Ohne ihn zu erkennen, starrte sie ihn an.
    »Geht es dir besser, meine Kleine? Wie fühlst du dich, May-may?«
    Nichts verriet, daß sie ihn gehört hatte. Ihr Blick fiel auf das zerrissene Kleid, und sie zog sich erschauernd in sich zusammen. Ein Stöhnen entrang sich ihr; sie murmelte etwas auf chinesisch. Widerstrebend und furchtsam näherte sich Ah Sam. Sie kniete nieder und begann die Kleider einzusammeln.
    »Was hat sie gesagt? Was Missie sagen-ah?« Struan hielt seine Augen unverwandt auf May-may gerichtet.
    »Teufelskleider Feuer, Maste'.«
    »Nicht Feuer, Ah Sam. In mein Zimmer legen. Verstecken. Verstecken. Versteh'?«
    »Versteh', Maste'.«
    »Dann zurückkommen.«
    »Versteh', Maste'.«
    Struan entließ Lim Din mit einer Handbewegung. Er eilte davon. »Komm jetzt, meine Kleine«, sagte er sanft, entsetzt von ihrem starren, irren Blick. »Zieh jetzt deine gewohnten Kleider an. Du mußt mit auf den Ball kommen. Ich möchte dich doch meinen Freunden dort vorstellen.«
    Er trat einen Schritt auf sie zu. Sie sprang jäh auf, wie eine in die Enge getriebene Schlange. Da blieb er stehen. In ihrem Gesicht zuckte es, und ihre Finger waren wie die Krallen eines Raubvogels. Ein Tropfen Speichel sammelte sich in einem Mundwinkel. In ihren Augen war der Wahnsinn.
    Angst um sie packte ihn. Denselben Blick hatte er schon einmal gesehen – in den Augen jenes Seesoldaten, der den Verstand verloren hatte, an jenem ersten Tag auf Hongkong.
    Er schickte ein schweigendes Gebet zum Allmächtigen empor und nahm seinen ganzen Willen zusammen. »Ich liebe dich, May-may«, wiederholte er sanft, während er langsam durch das Zimmer auf sie zuging. Langsam, ganz langsam.
    Nun beugte er sich über sie und sah die zum Stoß bereiten Krallen. Er hob seine Hände und berührte sanft ihr Gesicht. »Ich liebe dich«, wiederholte er. Seine Augen, schutzlos der Gefahr preisgegeben, zwangen ihr die ganze Macht seines Willens auf. »Ich brauche dich doch, meine Kleine, ich brauche dich.«
    Das Irre in ihren Augen verwandelte sich in Schmerz, und schluchzend fiel sie in seine Arme. Er hielt sie an sich gedrückt und dankte erschöpft seinem Gott.
    »Ich … es tut mir so leid«, wimmerte sie.
    »Nichts braucht dir leid zu tun, mein Kleines. Schon gut, schon gut, es ist ja alles gut, hörst du?«
    Er trug sie zum Bett zurück, setzte sich, nahm sie in seine Arme und wiegte sie wie ein Kind hin und her. »Schon gut, schon gut.«
    »Laß … laß mich jetzt allein. Es geht schon.«
    »Ich denke nicht daran«, erwiderte er. »Jetzt mußt du erst wieder zu dir kommen, dich erholen, dann ziehen wir uns an und gehen zusammen auf den Ball.«
    Unter Tränen schüttelte sie den Kopf. »Nein … kann nicht. Ich … bitte …« Sie hörte auf zu weinen, löste sich aus seinen Armen und erhob sich schwankend. Struan legte einen Arm um sie, zwang sie ins Bett zurück und half ihr, die restlichen zerrissenen Kleidungsstücke auszuziehen. Dann breitete er die Bettdecke über sie. Kraftlos lag sie da und schloß erschöpft die Augen.
    »Bitte. Es geht schon wieder. Muß … schlafen. Geh du nur.«
    Sanft streichelte er ihr den Kopf und strich ihr die scheußlichen Locken aus dem Gesicht.
    Später wurde ihm bewußt, daß Ah Sam in der Tür stand. Sie trat ins Zimmer, und Tränen strömten ihr über die Wangen. »Sie gehen, Maste'«, flüsterte sie. »Ah Sam aufpassen, schon gut. Nicht Angst. Können.«
    Er nickte kraftlos. May-may lag in tiefem Schlaf. Ah Sam kniete neben dem Bett nieder und berührte sanft und zärtlich May-mays Kopf. »Nicht Angst, Maste'. Ah Sam wachen sehr, bis Maste' kommen.«
    Auf Zehenspitzen ging Struan aus dem Zimmer.

24
    Culum war der erste, der auf Struan zutrat, als dieser auf den Ball

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