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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Zeit wirst du einsehen, wie klug es war. Für dich ist es das beste. Ich verbiete dir abzureisen. Dieser elende Kerl ist für dich nicht gut genug, hast du mich verstanden? Du wirst nicht abreisen!«
    »Wenn ich mich dazu entschließe, Glessing zu heiraten«, zischte sie, und ihre Stimme traf ihn wie ein vernichtender Schlag, »wirst du gut daran tun, mir deine verdammte ›Genehmigung‹ sehr schnell zu geben. Denn wenn du es nicht tust, erzähle ich es allen – nein, zuerst sage ich es dem Tai-Pan, und er wird sich mit einer Peitsche deiner annehmen. Ich habe nichts mehr zu verlieren – nichts. Und dein ganzes gottverdammtes Gebete zu deinem Gott, den es nicht gibt, und zu Vaters liebem Christus wird dir nicht ein bißchen helfen. Denn es gibt keinen Gott, hat niemals einen gegeben und wird niemals einen geben, und Christus war nur ein Mensch – ein Heiliger, aber doch nur ein Mensch!«
    »Du bist nicht mehr Mary! Du bist…« Seine Stimme zerbrach. »Du bist das Böse selber. Natürlich gibt es Gott. Natürlich haben wir Seelen. Du bist eine Abtrünnige! Du bist der böse Geist! Du warst es, und nicht ich! Oh, Herrgott, schenk uns Deine Gnade …«
    Mary schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. »Hör auf, lieber Bruder. Ich bin deines nutzlosen Betens müde. Hörst du mich? Jahre hindurch bin ich bei deinem Anblick erschauert. Denn ich sehe an der Lust in deinen Augen, daß du noch immer mit mir ins Bett gehen willst. Obwohl du heute die Blutschande begreifst und sie schon begriffen hattest, bevor du anfingst.« Sie lachte, und dieses Lachen war grauenvoll. »Du bist schlimmer als Vater. Er war von seinem Glauben besessen, aber du – du gibst nur vor, zu glauben. Ich kann nur hoffen, daß es deinen Gott gibt, denn dann wirst du für ewig im Höllenfeuer brennen. Und ich wünsche dir eine fröhliche Erlösung.«
    Damit ging sie. Ihr Bruder starrte hinter ihr her und rannte dann blindlings in die Nacht hinaus.

23
    »Heja, Maste'!« sagte Lim Din und stieß die Tür schwungvoll vor dem Tai-Pan auf. »Heja, Lim Din«, antwortete Struan und warf einen Blick auf das Barometer. Schönes Wetter. Ausgezeichnet.
    Er ging ein paar Schritte den Gang hinunter, als Lim Din ihm den Weg vertrat und wichtigtuerisch zum Wohnzimmer zeigte. »Missie gesagt haben, hier-ah können. Können?«
    »Können«, brummte Struan.
    Lim Din reichte ihm den bereits eingeschenkten Branntwein, trieb ihn mit seinen Verbeugungen in den Ledersessel mit der hohen Lehne und enteilte. Struan streckte die Beine aus. Der Sessel roch scharf nach Juchten, alt und gemütlich, und dieser Geruch vermischte sich angenehm mit Shevauns Parfüm, das ihm noch immer anzuhaften schien.
    Auf der Uhr, die auf dem Kaminsims stand, war es zwanzig Minuten vor zwölf.
    Struan begann ein Seemannslied vor sich hin zu summen. Er hörte, wie eine Tür geöffnet wurde, und das Rascheln von Seide. Während er noch auf May-mays Erscheinen in der Tür wartete, verglich er sie nochmals mit Shevaun. Den ganzen Abend hindurch hatte er sie miteinander verglichen und versucht, sie in ihren Qualitäten kühl und leidenschaftslos abzuwägen. Shevaun war ein sehr schönes Spielzeug, voller Schwung, gewiß, und sehr vital. Eine Frau, die er gern gezähmt hätte. Und als Ehefrau würde Shevaun eine ausgezeichnete Gastgeberin sein – selbstsicher und umsichtig, eine Frau, die sich und ihm viele Türen öffnen würde. In England wäre May-may – als Ehefrau – ein Glücksspiel mit hohem Einsatz. Nicht als Geliebte. So ist es, sagte er sich. Trotzdem aber werde ich sie heiraten. Mit der Macht von Noble House hinter mir und einer Monopolkonzession für Rußland in der Tasche kann ich es wagen, mich über alle Konventionen hinwegzusetzen und die fast unübersteigbare Schranke zwischen Okzident und Orient niederzureißen. May-may wird über allen Zweifel hinaus – und für alle Zeit – den Menschen, die in der Gesellschaft wirklich zählen, beweisen, daß der Asiate ebenbürtig ist und es sich lohnt, ihn kennenzulernen. May-may wird durch ihre Persönlichkeit den Tag der Gleichstellung und Anerkennung schneller herbeiführen. Es wird noch zu meinen Lebzeiten geschehen.
    Ach, dachte er überschwenglich, May-may ist ein wunderbares Glücksspiel. Zusammen können wir es schaffen. Für alle Zeit. Mit etwas Joss wird ganz London ihr zu Füßen liegen.
    Dann brach seine Freude in sich zusammen.
    May-may stand in der Tür, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht, als sie sich hin und her

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