Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
aussichtsloser Kampf.
    Als die Damen zurückkamen, wurde weitergetanzt, aber der Cancan wurde nicht wiederholt. Struan tanzte zuerst mit Mary, und sie genoß es sehr; es ging eine Kraft von ihm aus, die sie beruhigte, sie läuterte und ihr Mut gab.
    Die nächste, die er aufforderte, war Shevaun. Sie schmiegte sich so eng an ihn, daß es erregend war, aber doch nicht so eng, um anstößig zu wirken. Ihre Wärme und ihr Duft hüllten ihn ein. Dabei bemerkte er, daß Horatio Mary von der Tanzfläche führte. Bei der nächsten Drehung sah er, daß sie zum Ufer hinabschlenderten. Bald darauf vernahm er das Anschlagen der Schiffsglocken. Halb zwölf. Höchste Zeit, May-may aufzusuchen.
    Als der Tanz zu Ende war, geleitete er Shevaun zurück zum Tisch. »Würden Sie mich einen Augenblick entschuldigen, Shevaun?«
    »Natürlich, Dirk. Aber beeilen Sie sich.«
    »Das werde ich«, antwortete er.
    »Wie schön die Nacht ist«, sagte Mary, die neben Horatio dahinschritt, ein wenig beklommen.
    »Ja.« Horatio drückte leicht ihren Arm. »Ich wollte dir etwas Amüsantes erzählen. George hat mich beiseite gezogen und in aller Form um deine Hand angehalten.«
    »Und du warst erstaunt, daß überhaupt jemand mich heiraten will?« fragte sie kühl.
    »Natürlich nicht, Mary. Ich fand nur, daß es eine Frechheit von ihm ist, sich einzubilden, du würdest einen so aufgeblasenen Esel wie ihn in Erwägung ziehen.«
    Sie betrachtete ihren Fächer und blickte dann voll tiefer Unruhe in die Nacht.
    »Ich habe ihm gesagt, ich sei der Meinung, er…«
    »Ich weiß genau, was du gesagt hast, Horatio.« Sie unterbrach ihn schroff. »Du warst sehr freundlich zu ihm und hast ihn mit der ›Zeit‹ und Redensarten wie ›meine liebe, einzige Schwester‹ abgefertigt. Aber ich glaube, ich heirate George.«
    »Das kannst du nicht tun! Du kannst unmöglich diesen langweiligen Menschen so mögen, daß du ihn auch nur einen Augenblick in die engere Wahl ziehst.«
    »Ich glaube aber, daß ich George heirate. Zu Weihnachten. Wenn es noch ein Weihnachten gibt.«
    »Was willst du damit sagen – wenn es noch ein Weihnachten gibt?«
    »Nichts weiter, Horatio. Ich habe ihn gern genug, um ihn heiraten zu können, und ich … schon gut, ich glaube, es ist an der Zeit, Asien zu verlassen.«
    »Das kann ich nicht glauben.«
    »Ich glaube es selber nicht.« Ihre Stimme zitterte. »Aber wenn George mich heiraten will – ich bin zu der Entscheidung gelangt, daß er mir genügt.«
    »Aber, Mary, ich brauche dich doch. Ich liebe dich, und du weißt…«
    Ihre Augen flammten plötzlich auf. Die ganze zurückgestaute Verbitterung, die Qualen vieler Jahre preßten ihr die Kehle zusammen. »Sprich du mir nicht von Liebe!«
    Sein Gesicht wurde totenbleich, und seine Lippen zitterten. »Ich habe Gott unzählige Male gebeten, uns zu verzeihen.«
    »Gott zu bitten, ›uns‹ zu verzeihen, kommt ein wenig spät, findest du nicht?«
    Es hatte nach einer Züchtigung begonnen, als er noch jung und sie sehr jung war. Sie waren miteinander ins Bett gekrochen und hatten sich aneinandergeklammert, um Schrecken und Schmerz auszulöschen. Die Wärme ihrer Körper war tröstlich gewesen, und Mary hatte eine neue Art von Schmerz verspürt, der sie die Prügel vergessen ließ. Es hatte noch andere Stunden gegeben, glückliche Stunden – sie war noch zu jung gewesen, das zu verstehen, nicht aber Horatio; dann war er nach England abgereist, um dort zur Schule zu gehen. Nach seiner Rückkehr hatten sie niemals mehr erwähnt, was zwischen ihnen geschehen war. Denn nun wußten sie beide, was es bedeutete.
    »Ich schwöre bei Gott, daß ich um Verzeihung gefleht habe.«
    »Das freut mich sehr, mein lieber Bruder. Aber es gibt keinen Gott«, und ihre Stimme klang dumpf und erbarmungslos. »Ich verzeihe dir, aber das macht keine Jungfrau mehr aus mir, oder?«
    »Mary, ich bitte dich, um der Liebe Gottes willen …«
    »Ich vergebe dir alles, lieber Bruder. Nur nicht deine erbärmliche Heuchelei. Wir haben nicht gesündigt – du hast es getan. Bete für deine eigene Seele, nicht für die meine.«
    »Ich bete für die deine mehr als für die meine. Wir haben gesündigt, und möge Gott uns beistehen. Aber der Herr wird verzeihen. Er wird es tun, Mary.«
    »Noch in diesem Jahr werde ich mit einigem Joss George heiraten und dich und Asien vergessen.«
    »Du bist noch gar nicht mündig. Du kannst gar nicht gehen. Ich bin vor dem Gesetz dein Vormund. Ich kann dich nicht gehen lassen. Im Laufe der

Weitere Kostenlose Bücher