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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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wendete. Ihr Kleid nach europäischer Mode, mit einem weitbauschigen, juwelenbesetzten Rock, war schreiend bunt. Das Haar hing in Locken auf die bloßen Schultern herab, auf dem Kopf trug sie einen Federhut. Sie sah entsetzlich aus – ein Alptraum.
    »Mein Himmel, nein!«
    Es folgte ein furchtbares Schweigen, während sie einander anstarrten.
    »Es ist … es ist sehr … hübsch«, sagte er, von dem Schmerz in May-mays Augen niedergeschmettert. Aber es klang nicht überzeugend.
    May-mays Haut war plötzlich von durchscheinender Blässe; nur auf den Wangen brannten noch zwei hellrote Flecken. Sie wußte, daß sie Struan gegenüber in grausamer Weise an Gesicht verloren hatte. Schwankend stand sie da, einer Ohnmacht nahe. Dann stieß sie einen wimmernden Laut aus und flüchtete.
    Struan eilte ihr nach. Er stürzte durch ihre privaten Gemächer, aber das Schlafzimmer war bereits verriegelt.
    »May-may, meine Kleine. Öffne die Tür.«
    Es erfolgte keine Antwort, und er wurde sich dessen bewußt, daß Lim Din und Ah Sam hinter ihm standen. Als er sich umwandte, waren sie bereits verschwunden.
    »May-may! Öffne die Tür!«
    Noch immer keine Antwort. Er war wütend auf sich selber, weil er unfähig gewesen war, seine Gefühle zu verbergen. Er hatte sich dumm benommen und sich überrumpeln lassen. Selbstverständlich wollte auch May-may an dem Ball teilnehmen, und alle ihre Fragen hätten ihn bereits warnen sollen. Selbstverständlich hatte sie sich ein Ballkleid machen lassen und … ach, du lieber Gott!
    »Öffne die Tür!«
    Wieder keine Antwort. Er trat mit dem Fuß gegen die Tür. Sie sprang auf und blieb schief in den Angeln hängen.
    May-may stand neben dem Bett und blickte zu Boden.
    »Du hättest die Tür nicht verriegeln sollen. Du … du – das Kleid und du haben mich nur für einen Augenblick so verblüfft.« Er wußte, daß er ihr das Gesicht zurückgeben mußte, oder sie würde sterben. Sterben vor Kummer oder von ihrer eigenen Hand. »Komm jetzt«, sagte er, »wir gehen auf den Ball.«
    Als sie auf die Knie fiel, um Kotau zu machen und seine Verzeihung zu erflehen, trat sie auf das Kleid und taumelte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, brachte aber keinen Laut hervor. Der Hut mit den Federn war ihr vom Kopf gerutscht.
    Struan eilte auf sie zu und wollte ihr aufhelfen. »Komm, May-may, meine Kleine, das darfst du nicht tun.«
    Aber sie wollte sich nicht aufhelfen lassen. Sie senkte das Gesicht noch tiefer auf den Teppich und versuchte, sich mit ihren Nägeln in ihm festzukrallen.
    Mit Mühe hob er sie auf und drückte sie an sich, aber sie wollte ihn nicht ansehen. Er hielt ihre Hand fest.
    »Komm jetzt.«
    »Was ist?« antwortete sie dumpf.
    »Jetzt gehen wir auf den Ball.« Er wußte, daß es für ihn wie für sie eine Katastrophe werden würde. Er wußte, daß es ihn gesellschaftlich vernichten und sie sich lächerlich machen würde. Aber es war ihm auch klar, daß er sie mitnehmen mußte, oder ihre Seele würde sterben. »Komm jetzt«, wiederholte er, und in seiner Stimme schlug seine Gereiztheit durch. Aber sie starrte noch immer zitternd den Boden an.
    Er zog sie sanft mit sich, aber sie wäre fast gestürzt. Da hob er sie in grimmiger Entschlossenheit auf, und sie lag wie leblos in seinen Armen. Er ging mit ihr auf die Tür zu. »Jetzt gehen wir, und keine Widerrede.«
    »Warte«, ächzte sie mit rauher Stimme. »Ich … ich … ich muß, der … der Hut.«
    Er ließ sie zu Boden gleiten, und sie kehrte in das Schlafzimmer zurück; ihr trippelnder Gang wirkte häßlich in dem europäischen Kleid. Struan wußte, daß es zwischen ihnen niemals mehr so sein würde wie früher. Er hatte einen furchtbaren Fehler begangen. Er hätte dies alles voraussehen müssen, aber …
    Er bemerkte, daß sie auf den rasiermesserscharfen Schnürlochstecher zustürzte, den sie für Stickereiarbeiten benutzte. Er erreichte sie gerade in dem Augenblick, als sie ihn gegen sich selbst richtete, und packte den Griff des Stechers. Die Spitze glitt an dem Fischbein von May-mays Korsett ab. Er warf das Werkzeug weg und versuchte sie festzuhalten, aber sie stieß ihn unter einem Schwall chinesischer Worte zurück, schlug die Nägel in das Kleid und zerriß es. Struan drehte sie schnell herum und löste die Haken. May-may aber riß den ganzen vorderen Teil auf, wand sich aus dem Kleid, heraus aus dem Korsett und begann die Spitzenhose zu zerfetzen. Als sie endlich frei war, trampelte sie auf dem Kleid herum und schrie

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