Tai-Pan
etwas geschah. Der Zar erhielte damit einen ausgezeichneten Vorwand, Kriegsschiffe und Truppen in chinesische Gewässer zu entsenden, um Wiedergutmachung zu fordern. Aber so etwas wird nicht geschehen, hol mich der Teufel, sagte er zu sich. »Es gibt nur eine Art, mit solchem Gesindel umzugehen. Glauben Sie, daß sich Ihre demokratischen Methoden gegenüber diesen Leuten bewähren werden?«
»Selbstverständlich. Man muß ihnen nur Zeit lassen«, antwortete Longstaff leichthin. »Aber gehen wir jetzt an Bord. Wir haben Glück, daß es eine so angenehme Nacht ist.«
Einer der russischen Diener sagte etwas zu Sergejew, der ihn statt jeder Antwort nur ansah. Der Diener erbleichte und verstummte.
»Ganz wie Sie wünschen, Exzellenz«, erwiderte Sergejew, um nicht hinter Longstaffs offensichtlicher Verachtung für den Pöbel zurückzustehen. »Aber ich glaube, ich warte lieber noch auf den Tai-Pan.« Er nahm seine Schnupftabaksdose heraus, bot eine Prise an und war mit sich zufrieden, als er sah, daß seine Finger nicht zitterten.
»Danke.« Longstaff nahm eine Prise. »Verdammte Schweinerei, was!« Er schlenderte zu Struan hinüber. »Wer zum Teufel, hat die denn schon wieder aufgehetzt, Dirk?«
»Die Mandarine, soviel steht fest. Niemals zuvor waren es so viele Menschen. Niemals. Am besten wir gehen jetzt an Bord.« Struan überflog den Platz mit einem Blick. Die letzten Kaufleute gingen gerade an Bord der Schiffe. Nur Brock war nirgends zu sehen. Gorth und seine Leute bewachten noch immer das Tor zu ihrer Faktorei. Struan war wütend, als er sah, wie Gorth in die plündernde Menge hineinschoß, obwohl sie ihn und seine Leute nicht unmittelbar bedrohte.
Er fühlte sich versucht, den sofortigen Rückzug anzuordnen. Dann könnte er im allgemeinen Durcheinander die Muskete anlegen und Gorth töten. Er wußte, daß niemand es in der allgemeinen Verwirrung bemerken würde. Und es ersparte ihm einen Mord zu einem späteren Zeitpunkt. Aber Struan schoß nicht. Er wollte sich nicht um die Freude bringen, das Entsetzen in Gorths Augen zu sehen, wenn er ihn wirklich umbrachte.
Die Lorchas legten hastig ab. Zahlreiche Schiffe glitten bereits in die Mitte des Fahrwassers hinaus. Seltsamerweise wurden sie von der Menge noch immer nicht beachtet.
Aus der Faktorei von Cooper-Tillman wirbelte Rauch. Das ganze Gebäude loderte auf, als ein Windstoß hineinfuhr. Die Funken stoben auf, die Flammen züngelten in den dunklen Nachthimmel.
Struan sah Brock aus der Faktorei hinausstürmen, eine Muskete in der Hand, ein Entermesser in der anderen, die Taschen vollgestopft mit Papieren. Sein Hauptbuchhalter, Almeida, lief vor ihm mit einer Last von Büchern auf das Schiff zu, während Brock, Gorth und seine Leute ihn deckten. Eine neue Welle drängte gegen den östlichen Eingang, schwemmte die Soldaten beiseite, und Struan wußte, daß es nun höchste Zeit war, davonzulaufen.
»An Bord!« brüllte er und wandte sich dem Gartentor zu, hielt aber plötzlich im Laufen inne. Sergejew stand an die Gartenmauer gelehnt, in der einen Hand eine Pistole, in der anderen einen Degen. Longstaff stand neben ihm.
»Höchste Zeit zur Flucht!« rief er über den Tumult hinweg.
Sergejew lachte. »In welcher Richtung?«
Eine heftige Explosion erschütterte die Luft. Die Flammen hatten das amerikanische Arsenal erreicht. Das Gebäude barst auseinander, brennende Teile flogen mitten unter die Menge. Einige Chinesen fanden den Tod, andere wurden verstümmelt. Die Banner der Tongs überquerten die Hog Street, ihnen nach folgte die entfesselte, plündernde Menge, die sich nun systematisch die Faktoreien im Osten vornahm. Struan hatte bereits das Tor passiert, als ihm Culum einfiel. Er rief seinen Leuten zu, ihm den Rücken zu decken, und rannte zurück.
»Culum! Culum!«
Culum kam die Treppe herabgestürzt. »Ich hatte was vergessen«, rief er und rannte weiter zur Lorcha.
Sergejew und Longstaff standen noch immer abwartend bei den Leuten neben dem Tor. Der Fluchtweg war ihnen durch einen dritten Haufen abgeschnitten, der sich auf den Platz ergoß und die Faktorei neben der ihren stürmte. Struan deutete auf die Mauer, und sie kletterten hinüber. Culum stürzte, aber Struan riß ihn hoch, und miteinander rannten sie auf die Schiffe zu, Sergejew und Longstaff dicht neben ihnen.
Die Menge ließ sie durch; aber kaum hatten sie den Platz betreten und damit den Zugang zur Faktorei freigegeben, da stürmten die Anführer der Menge auch schon in den Garten
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