Tai-Pan
Bauernkleidung und mochte etwa Anfang Dreißig sein. Seine Augen, von schweren Lidern überschattet, hatten einen stechenden Blick, er betrachtete Struan mit der gleichen Neugier. »Wer ist das?«
»Hung Hsu Tsch'un«, antwortete Mauss sehr stolz. »Er ist ein Hakka. Und er ist getauft, Tai-Pan. Ich habe ihn getauft. Er ist der beste Mann, den ich jemals hatte, Tai-Pan. Sehr intelligent, wißbegierig und doch ein Bauer. Endlich habe ich einen Menschen bekehrt, der Gottes Wort verbreiten und mir in Seinem Dienst helfen wird.«
»Sie sollten ihn lieber auffordern, von hier zu verschwinden. Sollte es zu Tumulten kommen und die Mandarine fangen ihn mit uns zusammen, haben Sie einen Bekehrten weniger.«
»Ich habe es ihm bereits gesagt, aber er hat mir geantwortet: ›Die Wege Gottes sind wunderbar, und Gottesmenschen wenden ihre Rücken nicht den Heiden zu.‹ Machen Sie sich nur keine Sorge. Gott wird ihn beschützen, und ich werde mit meinem eigenen Leben für ihn eintreten.«
Struan nickte dem Mann kurz zu und kehrte zu Longstaff und Brock zurück.
»Ich gehe jetzt an Bord«, erklärte Brock, »und damit Schluß!«
»Tyler, schicken Sie doch Gorth und seine Leute zu den Soldaten dort drüben, um sie zu verstärken.« Struan deutete zur Einmündung der Hog Street hinüber. »Ich übernehme die Ostseite und decke Sie, falls es ernst wird. Sie können sich dann hierher zurückziehen.«
»Sorgen Sie lieber für sich selber«, antwortete Brock. »Und ich sorge für mich. Sind hier kein Oberbefehlshaber!« Er machte Gorth ein Zeichen. »Du kommst mit mir. Almeida, Sie und die übrigen Schreiber holen die Bücher und machen, daß Sie an Bord kommen.« Er und seine Leute marschierten aus dem Garten hinaus und über den Platz.
»Culum!«
»Ja, Tai-Pan?«
»Räum den Geldschrank aus und geh an Bord der Lorcha.«
»Jawohl.« Culum senkte die Stimme. »Hast du mit Brock gesprochen?«
»Ja. Aber nicht jetzt, mein Junge. Beeil dich. Wir sprechen später darüber.«
»War es ja oder nein?«
Struan fühlte, daß die anderen ihn beobachteten, und obwohl er Culum gern berichtet hätte, was sie einander im einzelnen gesagt hatten, war doch der Garten in dieser Nacht nicht der richtige Ort für ein solches Gespräch. »Himmel noch eins, tust du jetzt, was ich dir aufgetragen habe!«
»Ich will es aber wissen!« erwiderte Culum mit blitzenden Augen.
»Und ich habe überhaupt nicht die Absicht, deine Probleme jetzt zu erörtern! Tu, was ich dir gesagt habe!« Struan stampfte zur Eingangstür davon.
Jeff Cooper hielt ihn auf. »Warum abziehen? Wozu die Eile, Tai-Pan?« fragte er.
»Nichts weiter als eine Vorsichtsmaßnahme. Haben Sie eine Lorcha hier?«
»Ja.«
»Ich stelle gern allen Ihren Leuten, die keine Koje mehr haben, einen Platz auf meinem Schiff zur Verfügung.« Struan blickte zu Sergejew hinüber. »Die Aussicht vom Fluß aus ist recht hübsch, Hoheit, falls Sie Lust hätten, sich uns anzuschließen.«
»Laufen Sie immer davon, wenn sich der Platz leert und die Dienstboten verschwinden?«
»Nur wenn es mir gefällt.« Struan drängte sich durch die dichte Menge der Männer. »Vargas, bringen Sie die Bücher und alle unsere Angestellten an Bord. Bewaffnet.«
»Jawohl, Senhor.«
Als die anderen Kaufleute sahen, daß Struan und Brock tatsächlich eine rasche Räumung vorbereiteten, kehrten sie in aller Eile in ihre eigenen Faktoreien zurück, sammelten ihre Bücher, ihre Frachtpapiere und alle Unterlagen über die Geschäfte dieser Saison – und damit ihre Zukunft – ein und begannen sie auf ihre Schiffe zu verladen. Die Kassenbestände waren so gering, daß sie sich darum keine Sorgen zu machen brauchten, die meisten Geschäfte wurden über Wechsel abgewickelt. Brock und Struan hatten ihr Barrensilber bereits nach Hongkong geschafft.
Longstaff räumte seinen privaten Schreibtisch aus, legte das Chiffrierbuch und die Geheimpapiere in seinen Depeschenkasten und trat wieder zu Sergejew in den Garten. »Haben Sie schon alles gepackt, Hoheit?«
»Ich habe nichts von Bedeutung. Aber ich finde dies alles höchst merkwürdig. Entweder es liegt eine Gefahr vor oder nicht. Aber wenn Gefahr droht, warum haben Sie dann Ihre Truppen nicht hier? Ist aber keine Gefahr, warum dann davonlaufen?«
Longstaff lachte. »Das Denken der Heiden, Hoheit, unterscheidet sich ganz erheblich von dem eines zivilisierten Menschen. Die Regierung Ihrer Majestät hat nun schon seit mehr als einem Jahrhundert unmittelbar mit diesen
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