Tai-Pan
hinein. Viele von ihnen trugen Fackeln. Jetzt stürzten sie sich auf Noble House.
Inzwischen schlugen die Flammen aus den meisten Faktoreien. Ein Dach brach mit gewaltigem Krach in sich zusammen, und über die Tausende auf dem Platz ging ein Funkenregen nieder.
Brock feuerte auf dem Hauptdeck seiner Lorcha stehend unter wüstem Fluchen seine Mannschaft an. Alle waren bewaffnet, die Geschütze waren aufs Land gerichtet.
Gorth stand auf dem Achterdeck und ließ die Leinen am Vorschiff und achtern loswerfen. Als die Lorcha sich vom Bollwerk zu lösen begann, ergriff Gorth eine Muskete, zielte auf die Chinesen, die sich im Eingang ihrer Faktorei drängten, und drückte ab. Er sah einen Mann zu Boden stürzen und grinste teuflisch. Wieder nahm er eine Muskete; da bemerkte er Struan und die anderen, die auf ihre Lorcha zuliefen – von einem Gewimmel von Chinesen vor ihnen und hinter ihnen umgeben. Er vergewisserte sich, daß niemand ihn beobachtete, und zielte sorgfältig. Struan befand sich zwischen Culum und Sergejew, Longstaff neben diesem. Gorth drückte ab.
Sergejew wirbelte herum und stürzte zu Boden.
Gorth packte noch eine Muskete, aber Brock kam aufs Achterdeck gestampft. »Mach, daß du nach vorn kommst, und bedien das vordere Geschütz«, schrie er. »Erst auf meinen Befehl hin feuern!« Er versetzte Gorth einen Stoß und brüllte seine Leute an: »Drückt das Ruder herum, verdammt. Alle Segel setzen!« Er blickte zum Ufer hinüber und sah, wie sich Struan und Longstaff über Sergejew beugten. Culum stand neben ihnen. Die Menge wälzte sich auf sie zu. Er packte die Muskete, die Gorth hatte fallen lassen, zielte und schoß. Einer der Anführer stürzte zu Boden, und die Menge zögerte.
Struan nahm Sergejew über die Schulter. »Schießt über ihre Köpfe hinweg«, befahl er. Seine Leute drehten sich um und gaben aus nächster Entfernung eine Salve ab. Die Chinesen in der ersten Reihe wichen zurück, die anderen drängten von hinten vor. In dem wilden Getümmel hatten Struan und seine Leute Zeit genug, um zu ihrem Schiff zu gelangen.
Mauss wartete auf dem Kai neben der Lorcha, den seltsamen Chinesen neben sich. Beide waren bewaffnet. Mauss hielt in der einen Hand eine Bibel, in der anderen ein Entermesser und brüllte: »Gesegnet seist Du, Herr, vergib diesen armen Sündern!« Er schlug mit dem Messer in die Luft, und die Menge wich vor ihm zurück.
Als sie alle an Bord waren und die Lorcha die Mitte des Stromes erreicht hatte, blickten sie zurück.
Die ganze Niederlassung stand in Flammen. Das lodernde Feuer, der aufquellende Rauch und das wilde Geschrei verschmolzen zu einem höllischen Tumult.
Longstaff kniete neben Sergejew, der auf dem Achterdeck lag. Struan stürzte auf sie zu.
»Aufs Vorschiff!« brüllte er Mauss an. »Übernehmen Sie den Ausguck!«
Sergejew war weiß vor Schmerz und preßte seine rechte Hand gegen den Unterleib. Blut quoll unter seinen Fingern hervor. Die Leibwächter stöhnten vor Entsetzen. Struan stieß sie zur Seite und riß Sergejews Hose auf. Dann schnitt er das Hosenbein ab. Die Musketenkugel war schräg von der Seite, etwa einen Zoll über den Geschlechtsteilen, eingedrungen und hatte den rechten Schenkel durchschlagen. Das Blut floß zwar heftig, kam jedoch nicht stoßweise. Struan dankte Gott, daß die Kugel nicht, wie er zunächst gefürchtet, die Eingeweide zerrissen hatte. Er drehte Sergejew um. Der Russe unterdrückte ein Stöhnen. Dort, wo die Kugel ausgetreten war, war der Schenkel aufgerissen und blutig. Struan sondierte behutsam die Wunde und holte einen kleinen Knochensplitter heraus.
»Bring Decken, Branntwein und ein Kohlenbecken«, rief er einem Seemann zu. »Hoheit, können Sie Ihr rechtes Bein bewegen?«
Sergejew hob es leicht an und stöhnte vor Schmerz, aber das Bein war beweglich.
»Ihre Hüfte ist, glaube ich, in Ordnung, mein Freund. Liegen Sie jetzt ganz still.«
Als die Decken gebracht wurden, hüllte er Sergejew ein und setzte ihn auf dem Sitz hinter dem Rudergast bequem zurecht. Dann gab er ihm Branntwein zu trinken.
Als das Becken mit der Holzkohlenglut kam, öffnete Struan die Wunde und schüttete Branntwein hinein. Über der Kohlenglut erhitzte er sein Messer.
»Halten Sie ihn fest, Will! Culum, hilf uns mal.« Sie knieten nieder, Longstaff zu seinen Füßen, Culum neben seinem Kopf.
Struan drückte das rotglühende Messer in die Wunde am Unterleib, der Branntwein flammte auf, und Sergejew verlor das Bewußtsein. Struan brannte die
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