Taken
allein weiter.
Wie es Brauch ist, wurden wir mit fünfzehn zu Männern erklärt, besuchten Ratssitzungen und waren berechtigt, an den Zuweisungen teilzunehmen. Natürlich wird es stark gefördert, dass die jungen Männer sich in Claysoot umtun und mit einer Frau nach der anderen zusammenkommen. Ich habe mich dabei allerdings immer schon etwas gespalten gefühlt. Nicht, dass es nicht angenehm wäre – denn das ist es immer –, aber inzwischen hasse ich das Umherziehen. Mit einem Mädchen zu schlafen, nur um zum nächsten weitergeschoben zu werden. Ich fühle mich unbehaglich dabei. Jede Begegnung kommt mir wie eine Formalität vor, die nur allzu leicht damit enden kann, dass ich Vater werde. Ich hasse dieses Verfahren, aber ich verstehe auch, warum der Rat uns jeden Monat ein anderes Mädchen zuweist. Wenn wir nicht aussterben wollen, gibt es keine andere Möglichkeit.
Blaine war mir bei diesen Meilensteinen immer ein Jahr voraus, immer ging er voran und gab mir ein Beispiel. Wenn ich unsicher, ängstlich oder verwirrt war, beruhigte er mich wieder. Und jetzt wird er in wenigen Stunden für immer fort sein.
»Gray?« Blaines Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
»Ja?«
»Ich glaube, ich gehe in die Schmiede. Ich muss mich beschäftigen.«
»Nein, geh nicht zur Arbeit. Lass uns wenigstens dieses Spiel beenden.«
Blaine berührt eine seiner Spielfiguren, zieht aber die Hand zurück, ohne sie auf ein anderes Feld zu setzen. »Ich kann nicht bis Mitternacht so weitermachen, Gray. Dazu bin ich zu nervös.«
»Dann begleite ich dich«, biete ich an.
Er schüttelt den Kopf und zeigt auf mein Kinn. »Du solltest deinen Kiefer untersuchen lassen. Verglichen mit heute Morgen sieht er schlimmer aus.«
Zum ersten Mal fällt mir auf, dass wir schon Nachmittag haben. Haben wir wirklich so lange gespielt, oder gehen alle letzten Male von Natur aus schneller vorüber?
»Gut«, sage ich. »Ich gehe im Krankenhaus vorbei.«
Er nickt zustimmend, fast so wie unsere Mutter früher, und wirft mir dann mein Bündel in den Schoß. Obwohl die Luft jetzt drückend und schwer ist, zieht er seine neue Jacke an. Dann zaust er mir das Haar, bevor er geht. Ich sitze da und starre die Spielsteine an. Blaines Figuren aus Ton sind bei Weitem zahlreicher als meine hölzernen. Unser letztes unbeendetes Spiel.
Er hätte gewonnen.
Das Krankenhaus verfügt über mehrere Betten, die durch dünne Vorhänge getrennt werden können. Letztere hängen an Holzleisten, die über die ganze Breite des Gebäudes verlaufen. Als ich ankomme, sind die Vorhänge nicht in Gebrauch, und ich sehe, dass Carter nicht da ist. Aber ihre Tochter Emma sortiert in dem Regal am anderen Ende des Raums Tonkrüge.
Ich kenne Emma, seit wir Kinder waren. Unsere Mütter waren eng befreundet, hauptsächlich, weil ich als Kind so schwächlich war. Ma hat mir einmal erzählt, dass ich, bis ich ein Jahr alt war, nur das Innere unseres Hauses gesehen habe. Und während dieser Zeit kam Carter häufig zu Besuch, machte viel Aufhebens um mich und wirkte ihre Magie. Was immer sie tat, es war gut. Halb Claysoot starrt mich immer noch an, als wäre ich eine Art Wunder, als müsse es eigentlich unmöglich sein, von einem so kränklichen Kleinkind zu einem gesunden, kräftigen Jungen heranzuwachsen.
Den größten Teil meiner Kindheit hindurch blieben Ma und Carter unzertrennlich, und daraus folgte, dass ich häufig mit Emma zusammen war. Manchmal nahm Ma Blaine und mich mit ins Krankenhaus, und wir jagten Emma um die Holztische, bis sie um Gnade bettelte. An anderen Tagen, wenn Carter weniger Arbeit hatte, brachte sie Emma mit zu uns, und wir unterhielten uns mit Spielen wie Dame oder Kleine Lüge.
Damals war Emma ein mageres kleines Ding, aber sie hielt mit uns mit. Wenn wir im Straßenstaub spielten, lief sie mit. Wenn wir auf Bäume kletterten und uns die Knie an Felsbrocken aufschlugen, trug sie stolz die gleichen Kampfnarben. Doch obwohl wir als Kinder unzählige Stunden zusammen verbrachten, hat Emma immer Blaine näher gestanden. Ich bin nie in der Lage gewesen, die Eifersucht abzuschütteln, aber wahrscheinlich bin ich selbst daran schuld. Als ich sechs und die beiden sieben waren, habe ich sie umgestoßen und ihr das Holzspielzeug, mit dem sie spielte, weggenommen. Von dem Tag an zog sie Blaine vor, und natürlich fing es da an. Sobald sie Blaine lieber mochte, war sie mir lieber als alle anderen.
Zuerst war es ein kindliches Gefühl, aber meine Zuneigung blieb immer
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