Taken
Anhänger um sich zu scharen. Das war der eigentliche Beginn der Rebellion.«
»Und Ryder? Ich meine, ich weiß, dass er aus Claysoot kommt, aber wie ist er hier gelandet?«
»Alles weiß ich auch nicht. Wir beide hatten Glück, Gray. Als wir geraubt wurden, war Harvey schon geflüchtet, und deswegen waren Franks Experimente ausgesetzt. Aber Ryder hatte nicht so viel Glück. Man hat ihm vorgelogen, Frank versuche Claysoot zu befreien, und ihn dann ständigen Operationen unterzogen. Er war in dem Glauben, die Laboranten würden etwas in seinem Blut finden, das seine Leute vor der Mauer retten könnte.
Soweit ich es mir zusammengereimt habe, hat Ryder eine enge Freundschaft mit einem der anderen Jungen aus Claysoot geschlossen. Sie haben darüber gesprochen, dass Frank einer Lösung nicht näherkam, und waren sich einig darüber, dass sie nur weit weg von Taem eine Chance hatten, ein einigermaßen normales Leben zu führen. Sie sprachen von Flucht, und Ryder tat es schließlich.«
»Und der andere?«
»Die beiden brachen während ihrer Flucht in Franks Büro ein, statt geradewegs in die Berge zu gehen. Dumm von ihnen, wenn du mich fragst, aber wenigstens konnte Ryder sich die Aufzeichnungen schnappen, die du gerade gelesen hast. Sie wurden jedoch von einer Kamera aufgenommen, und der Orden wurde alarmiert. Nur Ryder hat es geschafft.«
»Und dann hat er sich einfach in den Wäldern versteckt, bis Elijah ihn Jahre später gefunden hat?«
»Genau. Zu diesem Zeitpunkt wollte Ryder nicht mehr gegen Frank kämpfen. Er war inzwischen alt und mehr oder weniger glücklich. Aber nachdem Elijah ihm von allem erzählt hat, was Frank der Stadt und ihren Bewohnern angetan hatte, war Ryder davon überzeugt, dass es nie zu spät ist, sich zu wehren.«
Und so kommen alle Puzzleteile zusammen: Die Akten in Union Central passen zu den Journalen in dieser Bibliothek, die sich wiederum mit Brees Erzählungen decken. Mir brummt der Kopf, aber es ist ein gutes Gefühl. Die Wahrheit macht süchtig.
»Und du?«, frage ich sie. »Was ist deine Geschichte?«
»Ich wurde geraubt, obwohl wir auf der Insel dazu ›weggeholt‹ sagen. Dann habe ich ein Video gesehen, in dem Frank erzählte, Harvey stecke hinter allem, und er bräuchte meine Geduld und Hilfe, bis er Saltwater befreien könne. Ich war auf einem Einsatz als Kundschafterin, als mir klar wurde, dass ich nicht zurückwollte. Damals habe ich Frank noch vertraut, aber ich wollte nicht mein ganzes Leben mit der Suche nach Harvey zubringen. Wahrscheinlich klingt es jetzt ziemlich egoistisch, dass ich nicht den Wunsch hatte, den Rest meines Volks zu retten, aber ich war allein und hatte Angst. Deswegen bin ich, als alle schliefen, davongelaufen, ohne auch nur zu überlegen, ob das eine gute Idee war. Ein paar Tage später bin ich in ein provisorisches Lager der Rebellen gestolpert.«
»Wie lange ist das jetzt her?«
»Ungefähr ein Jahr.«
»Dann bist du … wie alt? Sechzehn, siebzehn?«
»Fast siebzehn«, antwortet sie.
»Du kommst mir gar nicht vor wie sechzehn.«
»Warum? Weil ich so reif und vernünftig bin?« Sie grinst stolz.
»Eher das Gegenteil. Jünger, weil du so ungestüm und impulsiv bist.«
»Ach, verdammt sollst du sein«, gibt sie zurück. Ihr Ton ist halb ernst und halb spielerisch. »Du bist genauso temperamentvoll wie ich – vielleicht sogar mehr.«
»Ich glaube, wir beide ähneln uns stärker, als wir zugeben.«
Ihre Miene verfinstert sich. »Ich habe schon mehr Verantwortung für die Sache der Rebellen übernommen, als du behaupten kannst. Ich habe Missionen ausgeführt und Versprechen eingehalten und noch viel mehr. Allein darin sind wir ganz verschieden.«
»Ich brauche nur eine Chance, Bree. Auch ich kann mich unter Druck bewähren.« Ich werfe ihr ein kurzes Lächeln zu, und sie verdreht die Augen.
»Ach ja? Also, ich brauche jetzt einen kräftigen Schluck.«
Sie stellt Franks Aufzeichnungen wieder ins Regal, und wir verlassen die Bibliothek und machen uns auf die Suche nach etwas zu trinken.
28. Kapitel
Im Talkessel steht, eingequetscht zwischen der Kantine und ein paar Lagerhäusern, ein feuchtes, staubiges Gebäude, das die Rebellen die Trinkstube nennen. Als wir eintreten, schleicht Clipper zwischen den Männern an der Bar umher und schnappt sich fast leere Becher, wenn die Trinker nicht hinsehen. Ich sage ihm, dass er zu jung ist, um Alkohol zu trinken, aber als er mich fragt, wie alt ich bei meinem ersten Drink war, gebe ich zu, dass
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