Takeover
Erinnerungen mit ihr, was er gemacht hatte, welche Ideen sich an einem bestimmten Ort geformt hatten und warum. Am Abend ging er mit ihr in die Pizzeria, in der er seine erste Verabredung auf amerikanischen Boden hatte, wie er es ausdrückte.
»Und, wie ist deine erste Verabredung ausgegangen ?« , wollte Judith wissen.
»Sie hieß Kathy. Ich habe sie auf dem Sportplatz gesehen, als sie mit der Cheerleader Gruppe neue Formationen einstudierte. Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ein Date mit ihr zu bekommen. Ich weiß, es klingt vielleicht platt, aber wir haben keine Cheerleader in Deutschland, und darum hatte das Date damals eine solche Bedeutung für mich .«
»Und dann?«
»Es wurde eine Katastrophe. Sie hielt mich für einen verschrobenen Europäer und ich sie für eine oberflächliche Amerikanerin aus dem mittleren Westen. Wir haben uns sozusagen gegenseitig unsere Vorurteile bestätigt .«
»Wenn du aus Deiner Studienzeit erzählst, klingst du fröhlich und ausgelassen. Was ist mit der Zeit danach, dem Aufbau von GermanNet ?«
»Du hast Recht, meine Zeit an der Uni war die schönste meines Lebens. Die letzten Jahre? Da gibt es nicht viel zu erzählen. Keine Geschichten, nichts wirklich Wichtiges ist passiert. Ich habe nicht einmal die Zeit gehabt, etwas von dem Geld auszugeben, das ich verdient habe. Um es kurz zu machen, mein Leben macht mir eigentlich keinen Spaß mehr. Wie sieht es bei dir aus ?«
»Ich bin ja noch an der Uni. Mein Vater hat eine Professur für Neuere Philosophie und wir beide verstehen uns nicht besonders. Er wollte immer, dass ich Geisteswissenschaften studiere und ich wollte das eigentlich auch. Aber ich musste erst mal eine andere Richtung einschlagen, einfach um ihn zu ärgern. Also habe ich mit Netzwerktechnik begonnen. Das hat mir dann, zu meiner eigenen Überraschung, richtig Spaß gemacht. Aber irgendwas hat mir doch gefehlt. Also habe ich im Nebenfach Publizistik dazugenommen .«
»Und deine erste Verabredung an der Uni?«
»Hat Isabel mir verschafft. Isabel und ich, wir haben uns bei der Einführungsveranstaltung kennengelernt und auf Anhieb gemocht. Sie war und ist meine erste, wirkliche Freundin. So eine hatte ich mir als Kind immer gewünscht aber nie gefunden. Meine erste Verabredung war auch eine Katastrophe. Er war ein Student aus einem höheren Semester. Isabel meinte, er würde gut aussehen und wir könnten ihn auch gleich noch für unsere Hausarbeiten einspannen, sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Es wurde dann einer der langweiligsten Abende meines Lebens. Er hat mir zum Abschied in den Po gekniffen, und ich habe ihm eine runtergehauen . Nach diesem Abend habe ich mir geschworen, nie wieder mit einem Ingenieur auszugehen, und Isabel und ich sind zu der Entscheidung gekommen, dass es das Einfachste ist, wenn wir die Hausarbeiten selbst schreiben .«
»Mit den Erfahrungen ist es so eine Sache, man sollte sie relativieren können. Ich habe später mal eine Cheerleaderin getroffen, die war ganz anders .«
»Geben Sie sich keine Mühe, Herr Diplom-Ingenieur Ferry. Mit dem Thema Ingenieur bin ich ein für alle Mal durch«, plötzlich klang Judith gar nicht mehr so freundlich.
Der Abend war ziemlich schnell zu Ende und sie gingen ins Hotel zurück. Ferry fragte sich, was er falsch gemacht hatte. Es war so ein netter Abend gewesen, aber Judith war plötzlich wie ausgewechselt, kalt und abweisend.
Celsia Air, kurz CAir , war nach nur drei Jahren im Geschäft bereits zur Nummer Zwei der europäischen Low-Cost-Airlines aufgestiegen. CAir hatte scheinbar unaufhaltsam den Markt aufgerollt. Heute würde diese Erfolgsstory wegen einer Computerpanne enden. Nachts um 1:20 Uhr wurden, verursacht durch einen Computerfehler, sämtliche Buchungsdaten im zentralen Buchungscomputer von CAir gelöscht.
Der Buchungscomputer stand im zentralen Verwaltungsgebäude von CAir , in einem Vorort von London. Um diese für das Unternehmen lebenswichtigen Daten zu schützen, war der Serverraum in das Innere des Gebäudes gelegt worden, ein Raum ohne Außenwände und mit mehrfach gesicherten Türen. Wegen der enormen Bedeutung der Daten gab es mehrere Back-Up Systeme. Die Daten wurden immer parallel auf zwei Speichersystemen gleichzeitig abgelegt. Die beiden Systeme standen in unterschiedlichen Stockwerken und in verschiedenen Brandschutzbereichen des Gebäudes. Bei einem Brand bestand somit eine gute Chance, dass zumindest eines der Systeme überleben würde.
Weitere Kostenlose Bücher