Takeover
CAir hatte sich sogar für den äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass das ganze Gebäude verloren gehen sollte, abgesichert.
Es gab es noch eine dritte Kopie der Daten. Alle 15 Minuten wurde der komplette Datensatz in einem weiteren Speichersystem gesichert, das sich in einem über 40 km entfernt gelegenen Rechenzentrum befand. Ein mehrfach redundantes und todsicheres System also. Heute Nacht erhielten jedoch alle drei Systeme zeitgleich den Befehl, sämtliche Daten zu löschen und zu überschreiben, damit gingen alle Buchungsdaten der CAir unwiederbringlich verloren.
CAir-Kunden bekamen keine Tickets. Sie erhielten bei der Buchung lediglich eine Nummer, die sie beim Einchecken nennen mussten, das war alles. Und heute Nacht waren alle Buchungsnummern gelöscht worden. Die Geschäftsführung und die leitenden Angestellten von CAir wurden um 3 Uhr früh zu einer Telefonkonferenz zusammengerufen. Man sah nur eine Möglichkeit, alle Kunden, die zum Gate kamen und eine Nummer nannten, würde man mitnehmen. CAir hatte jetzt zwar keine Möglichkeit mehr die Buchungsnummer zu überprüfen, aber normalerweise versuchte auch niemand, ohne gültige Buchung in ein Flugzeug zu gelangen. Irgendwie musste CAir die nächsten Stunden und Tage überleben. Dann würde man weitersehen. Das Ganze musste nur streng geheim gehalten werden.
Am frühen Morgen tauchte eine Nachricht über den abgestürzten Buchungscomputer in einigen Usergroups im Internet auf. Der erste CAir-Flug an diesem Tag ging um 7:30 Uhr von Amsterdam nach London-Stansted . Es wurde einfach jeder ins Flugzeug gelassen, der behauptete eine Buchungsnummer zu haben. Der Flug konnte ohne Probleme durchgeführt werden und die Führungsmannschaft bei CAir schöpfte wieder Hoffnung. Der nächste Flug von Amsterdam ging um 11:00 Uhr. Dieses Mal waren fast 230 Leute anwesend und alle behaupteten, eine Buchung für diesen Flug zu haben. CAir ließ die maximal zulässige Anzahl von 186 Passagieren in die Boeing 737 und bot den restlichen Fluggästen jeweils einen Gutschein in Höhe von 400 Euro als Entschädigung an.
Später sollte sich herausstellen, dass etwa die Hälfte der Passagiere aus einem nahgelegenen Studentenwohnheim kam. Jemand hatte die Information über die Probleme bei CAir aus dem Internet ausgedruckt und mit der Überschrift ›Frühstücken in London‹ an das Schwarze Brett geheftet. Die meisten der versetzten Passagiere blieben bis zum nächsten Flugtermin um 14:30 Uhr am Flughafen und stellten sich dann erneut an der 400 Euro-Gutschein-Schlange an.
An fast allen anderen Flughäfen sah die Situation für CAir ähnlich aus. Auf dem Flughafen von Rom-Ciampino wollten mehr als 1.000 Passagiere nach London fliegen. Es kam zu Tumulten und schließlich musste die Polizei einschreiten. Am frühen Nachmittag gab sich CAir geschlagen und stellte seinen Flugbetrieb vorläufig ein. Mehrere tausend CAir-Fluggäste saßen damit an den Flughäfen fest. Das war die große Stunde für United European Airways.
United European Airways hatte in den letzten Jahren auf fast allen attraktiven, innereuropäischen Strecken große Marktanteile an CAir verloren. Durch viele glückliche Zufälle hatte United European Airways heute genügend Kapazität vorgehalten. An den wichtigsten Flughäfen konnte United European zusätzliche Flüge anbieten und die Slots von CAir übernehmen. Zu einem Sonderpreis von 29 Euro konnten CAir Fluggäste direkt am Gate auf United European umbuchen.
Am Abend trat ein sichtlich erfreuter Ken Shortys, CEO der United European Airways, vor die Kameras: »Dank einer enormen Kraftanstrengung aller unserer Mitarbeiter ist es uns heute gelungen, einen Großteil der CAir-Passagiere sicher ans Ziel zu bringen. Erlauben Sie mir hinzuzufügen: Was wir heute erlebt haben, zeigt einmal mehr, dass es für Billigflieger keine wirkliche Zukunft gibt! Auf Dauer setzt sich auch in der Luftfahrt nur Qualität durch und genau dafür steht United European Airways seit über 30 Jahren.«
Ein Dutzend Techniker saß zur selben Zeit im Rechnerraum von CAir . Sie verstanden nicht, wie es geschehen konnte, dass drei Speichersysteme, an drei unterschiedlichen Standorten auf einmal sämtliche Daten löschten.
Ein Phänomen, für das man nie eine Erklärung finden würde.
Am späten Abend gab Ken Shortys persönlich den Auftrag, 20 Millionen Euro an eine Beratungsfirma in Zypern zu zahlen.
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Am Montagmorgen warteten sie ab 8.00 Uhr in der
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