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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Greifvogel über ihr. Er rief sie zu sich, zurück zum Licht, wo Frieden und Kraft auf sie warteten. Von der Pflege ihres Liebsten tödlich erschöpft, öffnete sie den Mund. Sie wollte Awapuhi, den sie seit ihrer Kindheit kannte, noch eine letzte Frage stellen.
    »Warum? Du weißt doch, dass ich dich nie lieben könnte. Hast du das Licht der Götter verloren?«
    Da schlug er hart zu. Er traf sie mit der Kante seines Stabes an ihrer Schläfe. Es war vorbei. Doch bevor die Flammen ihren Körper fraßen, war sie schon nicht mehr dort. Der wertvollste Teil von ihr ritt weit über dem Meer auf den Schwingen des Falken den Sternen entgegen. Aber mit ihrer letzten Seelenkraft schickte sie den stärksten Fluch, den er ihr beigebracht hatte, in Awapuhis Richtung. Verfaulen sollte sein Fleisch bei lebendigem Leib an seinen Knochen und nie sollte ein Weib seine Seele lieben.
    In der tröstlichen Geborgenheit, die ihr Rachegedanke um sie hüllte, kam Elisa die Erkenntnis. Sie war schon öfter auf den hawaiischen Inseln gewesen, wie sie jetzt sicher wusste. Und sie war auch Janson schon einmal begegnet, wenn auch in anderer Gestalt. Die Geheimnisse des Himmels mussten weiter und größer sein, als die Diener des christlichen Gottes es sahen, die nur ein einziges Buch kannten, nach dem sie sich richteten. Elisa begriff auf den Schwingen des Falken, dass das göttliche Licht umfassender war, als ein Mensch es je begreifen würde.
    Die Hitze in ihrem Kehlkopf explodierte mit einem Seufzer aus der tiefsten Tiefe ihrer Seele. Tränen flossen ihr aus den Augen, als Hokus Feder ihr sanft über die Vorderseite des Halses strich, um die Energien weiter zu verteilen. Stoßweise blies die Heilerin rechts und links gegen Elisas Hals.
    »Noch nicht fertig … noch nicht fertig …«
    Damit zirkulierte sie wieder und wieder ihre Feder. Der heiße Knoten wurde kühl, fühlte sich flüssig an und schließlich spürte Elisa nur noch ein angenehm lebendiges Kribbeln. Hoku war fertig, drückte Elisa die Feder in die linke Hand und flüsterte ihr ins Ohr.
    »Jetzt versuch es … wähle gut. Was sind deine ersten Worte?«
    Elisa dachte kurz nach. Da waren Worte, die sich ihr aufdrängten. Zum Beispiel war da Keliis Name. Der Mann, den sie liebte. Oder vielleicht auch ihr eigener Name. Andererseits war sie sich nach ihrer Nebelreise nicht mehr ganz sicher, wer sie überhaupt war. Viele Stimmen meldeten sich in ihrem Inneren. Aber ein Wort war stärker als alle anderen. Es schien Elisa der richtige Anfang für ein Leben, von dem sie noch nicht wusste, wohin es sie von nun an führen würde. Aber es würde von nun an ihr Leben sein.
    »Kahuna … ich bin Kahuna!«
    Hoku war mehr als zufrieden.
    »Ja, das bist du. Du bist sogar schon eine sehr entwickelte Kahuna. Wir anderen wissen es schon länger, zumindest einige von uns. Aber ich bin froh, dass du es jetzt auch weißt.«
    Sie klatschte in die Hände.
    »Für heute reicht es. Du solltest später zum Wasserfall gehen … Der Tod will abgewaschen werden, besonders wenn man verbrannt wurde …?«
    Hoku hörte mittendrin auf zu reden. Sie sah Elisa prüfend an.
    »Kannst du es fühlen …?«
    Elisa wusste nicht, was Hoku meinte. Ihre Gedanken waren bereits woanders. Sie wollte zu Kelii. Sprechen, singen und ihm all das sagen, was sie in ihrem Inneren fühlte, das wollte sie in diesem Moment mehr als alles andere. Von ihrer Liebe wollte sie reden und von ihrem Wunsch, von jetzt an und für immer bei ihm bleiben zu dürfen. Sie hatte ihre Stimme wieder, sie hatten eine gemeinsame Zukunft vor sich. Der Rest würde sich finden. Elisa wollte aufstehen, aber Hoku drückte sie energisch auf die Matte zurück.
    »Du kannst es immer noch nicht fühlen … na gut. Dann werde ich es dir sagen müssen …«
    Hokus Gesicht war jetzt ernst. In ihrer Stimme schwang Bedauern mit.
    »Was ich dir jetzt sagen muss, wird nicht nur dir wehtun, sondern auch für Kelii wird es schwer werden. Kelii ist mein wertvollster Schüler, weißt du … ich mag ihn.«
    Die alte Heilerin atmete tief durch. Elisa glaubte kurz, so etwas wie Zorn in ihren Augen aufblitzen zu sehen.
    »Er liebt dich mehr als sich selbst. Vielleicht wird diese Liebe auf lange Sicht sein eigenes Leben zerstören, aber darauf hast du keinen Einfluss. Dich zu lieben ist sein Pakt mit Gott … Du bist sein Schicksal.«
    Hoku zögerte kurz, dann sprach sie weiter.
    »Vielleicht wird seine Liebe deine Rettung sein können. Aber deine Aufgabe ist groß in diesem

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