Tal der Tausend Nebel
sondern musste ihn nur immerzu ansehen. Sonst war sie nicht auf den Mund gefallen, aber bei diesem Mann konnte sie nur starren. Er sah einfach unglaublich gut aus.
Keanus ungewöhnlich gutes Aussehen war das Erste, was ihr in dem internationalen Lehrerseminar aufgefallen war. Sonst fand Maja die meisten Lehrer äußerlich eher durchschnittlich bis uninteressant. Aber er bildete eine Ausnahme. Beide waren sie wegen des Seminars nach Nizza geflogen, er aus den USA und sie aus München. Alle Teilnehmer hatten sich anfangs kurz auf Englisch vorgestellt. Als Keanu dran war, hatte er es charmant in drei Sprachen getan, woraufhin sämtliche weibliche Wesen ihn umschwärmten. Aber wie gut er aussah, wusste er selber. Mit weiblich schmachtender Bewunderung wollte Maja ihn auf keinen Fall langweilen. Freilich war ihr tumbes Schweigen auch keine Lösung, denn er sah sie bereits abwartend an. Maja musste etwas sagen. Sie entschied sich für simple Höflichkeit.
»Danke. Thank you. Merci beaucoup … this hat always likes to escape. Mein Hut ist ein Hut mit eigenem Willen und einem überaus starken Drang zum Meer hin. Wir lieben das Meer, mein Hut und ich. Es macht uns immer glücklich …«
Er starrte sie an und Maja konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Und als er ihr kurz darauf ein nettes Kompliment über ihren wilden Hut machte, war das Eis gebrochen.
»Er hat einen guten Geschmack, Ihr Hut, denn auch ich liebe das Meer. Auch mich macht es immer glücklich …«
Er gab sich Mühe, seine Worte in korrektem Deutsch zu sagen, und hatte eine gute Aussprache.
»Mein Hut dankt! Vielleicht ergibt sich in den nächsten Tagen die Möglichkeit, dem Meer gemeinsam ein wenig näher zu kommen. Das würde meinen Hut sehr freuen …«
Er nickte und lächelte erneut, diesmal begleitet von einem Blick seiner Augen, den Maja zunächst nicht deuten konnte. Er sah sie so innig und warm an, als würde er sie nie wieder gehen lassen wollen. Auch dehnte er ihre alberne Konversation über den Hut so lange aus wie möglich, bevor er zurück zum Seminar musste. Er musste früher als Maja gehen, um noch etwas vorzubreiten, da er nicht nur ein Teilnehmer war, sondern auch eine kleine Gruppe unterrichtete.
Maja verabschiedete sich freundlich, aber förmlich, indem sie ihm ihre Hand reichte. Er nahm sie und hielt sie einen Augenblick zu lang in seiner, so als würde er etwas überprüfen wollen. Sein Händedruck war warm, aber nicht zu fest, sondern eher fürsorglich. Sie sah ihm hinterher, wie er mit beschwingtem Schritt die Stufen zur Straße nahm und zwischen den Autos verschwand.
Um ihr heftig klopfendes Herz zu beruhigen, hatte sie nach ihrem ersten Gespräch einige Minuten aufs Meer hinausgesehen. Sie war von ihren heftigen Gefühlen überrascht. Ihre Knie fühlten sich weich an. Das Innere ihres Mundes war trocken vor Aufregung. Sie wusste aber nicht genau warum. Zwar hatte sie den Verdacht gehabt, dass der Hawaiianer sich von Anfang an für sie interessierte, aber so etwas machte sie normalerweise nicht nervös. An männliches Interesse war Maja gewöhnt, seit sie begonnen hatte, sich zu entwickeln. Sie war eine schöne Frau trotz ihrer Größe und ihrer üppigen Kurven oder vielleicht gerade deswegen. Sie war nur schwer zu übersehen und sah zudem leicht exotisch aus, was die männliche Phantasie beflügelte. Jedenfalls hatte sie immer schon mehr als genug Verehrer gehabt.
Seitdem sie sich halbwegs erwachsen fühlte, konnte sie auch gut mit Männern umgehen und gegebenenfalls harte Grenzen setzen. Bei Keanu war das nicht nötig. Seine klugen Mandelaugen hatten sie zwar seit dem ersten Tag in sämtlichen Seminarpausen beäugt, aber er hatte Abstand gehalten. Trotzdem dachte sie anfangs, sie würden sich vielleicht von irgendwoher kennen, weil er ihr vertraut schien. Bisweilen schenkte er ihr auch sein zurückhaltendes Lächeln, hatte sie aber bis zu diesem Tag kein einziges Mal angesprochen.
Er besuchte die fortgeschrittenen Kurse und kannte bereits einige der Teilnehmer, sodass er immer in eine Gruppe eingebunden war, die vor allem aus Frauen bestand. Maja hingegen war zum ersten Mal hier. Auch schätzte sie ihn schon auf um die dreißig, also einige Jahre älter, als sie es war. Zudem hatte er bereits den Lehrerstatus, denn er hielt Anfängern wie ihr einen Vortrag über die Fortschritte der Reformierung des US -Schulsystems.
Als Hawaiianer war er ein glühender Nationalist und stand der US -Regierung trotz Barack
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