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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Obama eher kritisch gegenüber. Soviel hatte Maja bereits über ihn herausbekommen. Auch konnte er gut referieren und hatte die Art von trockenem Humor, den sie an Männern schätzte. Er nahm sich selbst nicht allzu ernst. Verheiratet war er nicht, zumindest trug er keinen Ring. Dennoch vermutete Maja eine feste Beziehung. Schwul schien er ihr nicht zu sein, und ein derart gut aussehender Mann wie er war bestimmt schon in festen Händen. Warum aber sah er so häufig zu ihr hin? Sie traute sich nicht, ihn zu fragen. Dabei war Neugierde Maja angeboren. Immer und überall musste sie ihre Nase hineinstecken, wie ihr Vater ihr vorwarf, wenn sie ihn als Kind mit Fragen über seine Herkunft genervt und sogar einmal in seinen Briefen und Alben heimlich nach Indizien gesucht hatte.
    Ihr Vater hatte hawaiisches Blut. Bei ihm war es sogar ein Viertel und deutlich zu sehen. Seine Haut war jetzt im Alter eher rotbraun statt golden, aber immer noch besonders weich und zugleich dicker als ihre eigene. Seine Augen waren mandelförmig und schienen immer leicht zu lächeln, selbst wenn er nachdenklich war. Maja liebte sein polynesisches Aussehen, doch ihr Vater sprach auch mit Mitte sechzig noch nicht gerne darüber.
    Er war als junger Mann nur ein einziges Mal auf den hawaiischen Inseln gewesen und enttäuscht zurückgekehrt. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren, war Majas Vater das Resultat einer kurzen Affäre zwischen einer blutjungen bayerischen Kellnerin und einem GI aus Hawaii, der mit seiner Kompanie in einer bayerischen Kleinstadt stationiert war. Er war das Resultat einer leidenschaftlichen Nacht der Euphorie darüber, dass nun endlich Friede war. Aber es war keine Liebe im Spiel gewesen. »Sternenkind« hatte Majas Großmutter ihn genannt, denn später hatte sie geheiratet und noch zwei Kinder mit einem Mann aus München bekommen. Unter seiner Herkunft hatte ihr Vater sein Leben lang gelitten.
    Die Tatsache, dass Majas Großvater ein GI aus Hawaii war und seinerseits angeblich wieder zur Hälfte deutsches Blut hatte, hatte Majas Vater als jungen Mann so sehr beschäftigt, dass er ans Ende der Welt reisen musste. Es hatte ihn als jungen Studenten in den Sechzigerjahren sein ganzes Geld gekostet, aber seinen Vater hatte er nicht gefunden, weder auf Oahu, Maui oder Hawaii selber. Er hatte ihn also nie kennengelernt und lebte dennoch in seiner Haut, wie er Maja einmal erklärt hatte.
    Sein Münchner Stiefvater, den Maja noch als kleines Mädchen als ihren Opa kennengelernt hatte, hatte ihn mit großgezogen, ihm seinen Namen gegeben und ihn seinen leiblichen Kindern gleichgestellt. Max Kemper hieß er schon ab seinem sechsten Lebensjahr, wurde von allen geachtet und geliebt, obwohl er ganz anders aussah als der Rest der Familie. Alle waren sie blond und hatten helle Augen, nur Max nicht. Er sah immer aus wie ein Besucher, sagte er mit dem Humor, den er sich von seinem Stiefvater abgeschaut hatte. Der Großvater war ein großartiger Mann und an seinem Vorbild hatte Majas Vater sich stets orientiert. Deshalb war es ihm auch immer wichtig, für Maja und ihre beiden älteren Geschwister der beste Vater der Welt zu sein.
    Maja lächelte, als sie an ihren immer präsenten, klugen und großzügigen Vater dachte. Er war es, der Maja dieses kostspielige Seminar an der Côte d’Azur spendiert hatte. Max Kemper wusste, wie schwer es für Maja sein würde, sich auf die Dauer damit zu begnügen, eine Münchner Gymnasiallehrerin zu sein. Seine Jüngste hatte, wie er es nannte, seit ihrer Geburt Hummeln im Hintern und war ausgesprochen ehrgeizig. Zudem hatte sie Fernweh. Schon als Teenager wollte Maja unbedingt einmal nach Hawaii. Es hatte sich allerdings nie ergeben. Auf alle Fälle wollte sie ein paar Jahre in einem anderen Land arbeiten. Daher machte sie ständig Zusatzausbildungen und besuchte Seminare wie dieses hier in Nizza.
    Ihr starker Wunsch, ihre beruflichen Grenzen zu erweitern, war der wichtigste Grund, warum sie vor der Abreise Stefans Heiratsantrag abgelehnt hatte.
    »Woran denkst du?«
    Keanus Stimme war weich und samtig.
    »An uns … daran, wie wir uns das erste Mal unterhalten haben.«
    Er lachte, glaubte ihr aber kein Wort.
    »Nein, ich glaube, du denkst an deinen Freund.«
    »Na und? Darf ich das nicht …?«
    Er blieb ihr die Antwort schuldig, schwamm aber mit ein paar kräftigen Zügen so weit voraus, dass sie hinter ihm zurückblieb.
    Maja hatte es nicht eilig. Sie war froh, ihre Gefühle ordnen zu

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