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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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ihre Verbindung war durch eine ganz und gar ungeplante Liebe entstanden. Die Kahuna hatten eben auch nicht immer recht.
    Deswegen glaubte Elisa auch fest daran, dass Leilani nicht wegen ihrer Schwangerschaft für immer fortgebracht worden war. Johannes hatte sicherlich unrecht, wenn er glaubte, dass ihre Eltern sich niemals mit ihm einverstanden erklären würden.
    Elisa fielen langsam die Augen zu. Schon im Halbschlaf freute sie sich darauf, endlich Keliis Mutter kennenzulernen. Sie hoffte sehr, dass ihre Inhaftierung nur ein Gerücht war und sie ebenfalls zum Vollmondfest kommen würde. Kelii hatte so etwas erzählt. Und wenn Elisa von Keliis Familie akzeptiert werden würde, könnte sie vielleicht in Zukunft damit leben, für ihre eigenen Verwandten ein Schandfleck zu sein.
    Elisa schluckte, während sie die lähmende Wirkung des Pulvers auf dem hinteren Abschnitt ihrer Zunge spürte. Was würde bloß ihre Mutter sagen? Sicherlich hätte sie in Clementia eine Verbündete, wenn sie eine geheime Liebelei mit Johannes im Sinn hatte. Aber eine Hochzeit mit Kelii? Schnell schob sie den Gedanken an ihre Mutter beiseite und dachte wieder an ihren Liebsten. Wie zärtlich er sein konnte! Wie geheimnisvoll und schön seine Welt im Gegensatz zu ihrer war. Eines Tages würden sie zusammen bei seiner Wasserfamilie sein. Sie würden zum Riff schwimmen, das wünschte sie sich, denn die Haie waren ein fester Teil von ihm. Jedes neugeborene Kind wurde beim ersten Vollmond zum Riff gebracht. Auch Elisas Kinder würden eines Tages den Haien vorgestellt werden. Nach alter Tradition würde Kelii als Vater das Neugeborene ins Wasser werfen, während Elisa den Haien ein Lied vorsingen würde. Unter Wasser würde ihr Baby anfangen zu paddeln. Es würde von alleine wieder an die Oberfläche kommen, während die Haie, von Elisas Gesang bezaubert, friedlich umherschwimmen würden.
    Bei Keliis Meerestaufe war Großvater Hai selber gekommen. Er hatte den Jungen mit sich in die Tiefe genommen, um ihm sein Riff zu zeigen. Das war eine besondere Ehre. Deshalb würde Kelii eines Tages auch zum Oberhaupt des Dorfes werden. Und Elisa wäre dann seine Frau …
    Die Plantage erwachte langsam mit ersten Morgengeräuschen, während Elisa in einen unruhigen Dämmerschlaf fiel. In dem feinen Raum zwischen Wachen und Schlafen kamen Gefühle, die Elisa tagsüber lieber verdrängte. Eine ungewisse Angst nahm von ihr Besitz, während die Wirkung des Pulvers jetzt ihren ganzen Körper lähmte. Was ist, wenn Johannes recht hatte? War ihre Liebe zu Kelii zum Scheitern verurteilt? Würde sie überhaupt auf Kauai bleiben können, wenn es auf den Inseln zum Krieg zwischen den Weißen und den Hawaiianern käme?
    Die berauschende Wirkung des Pulvers ließ Bilder vor Elisas innerem Auge erscheinen. In dunkler Vorahnung sah sie eine grausige Szene voller sinnloser Gewalt zwischen brutalen Polizisten und hilflosen Königstreuen. Sie sah, wie sie gezwungen wurden, Steine zu essen, bis sie Blut spuckten. Sie hörte vom Meer her erstickte Schreie und realisierte, dass es ihre eigenen Schreie waren. Sah sie durch das Pulver in ihre eigene Zukunft?
    Dichter Nebel legte sich über ihre Fragen, als sie immer tiefer in einen Raum zwischen den Welten glitt. Elisa wusste nicht mehr, wo sie sich befand. Ohne festen Untergrund ging sie barfuß und frierend durch ein Tal aus wirbelnden weißen Wolken, die ihr zäh und undurchsichtig den Weg versperrten. Im Nu hatte sie jegliche Orientierung verloren. Alles sah gleich aus. Sie fühlte sich verloren und entsetzlich allein. Zitternd vor Kälte wollte sie sich einen Moment setzen und sich gegen das eisige Nichts in sich zusammenkauern, als sie vor sich im Nebel eine reglose menschliche Kontur sah. War es eine Statue? Als Elisa langsam näher kam, sah sie einen Atemhauch, dann eine Bewegung der Hände, so als sollte sie näher herantreten.
    Es war keine Marmorstatue, sondern inmitten des Nebelfeldes zwischen den Welten stand eine Frau, die Elisa kannte. Bereits zwei Mal war sie ihr in der Vergangenheit begegnet. Maja war ihr Name, wie Elisa sich erinnerte. Das erste Mal hatte sie das Gesicht der jungen Frau nur ganz kurz gesehen, bevor der weiße Hai zubiss. Das zweite Mal hatte Elisa von dem Pulver genommen und Maja länger gesehen, aber miteinander gesprochen hatten sie nicht. Konnte man in diesem Nebelfeld überhaupt reden? Elisas Zunge fühlte sich an wie aus Blei.
    Maja erkannte Elisa ebenfalls, wie ihr Blick zeigte. Auch sie sagte

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