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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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können. Ein ungewisses Gefühl von Schuld ergriff Besitz von ihr. Sie musste an Stefans enttäuschte Augen denken. Er hatte an ihrem letzten Abend vor der Abreise aus München mit ihrem klaren »Ja« gerechnet. Sie aber hatte sich erneut Bedenkzeit erbeten, so als könnten zwei Wochen etwas an ihrem Grundgefühl ändern. Und das Paradoxe daran war, dass ihr Grundgefühl Stefan gegenüber Liebe war. Es war eine ruhige stetige Liebe, denn Stefan war ein Mann, mit dem sie gut eine Familie gründen könnte, wenn sie eines Tages so weit sein würde. Im Moment war das aber noch nicht Majas Ziel.
    In den letzten drei Jahren war es eine bequeme und stetig wachsende Liebe gewesen, die Maja sicher war und daher gar keinen Traualtar brauchte. Das war Majas Hauptargument. Sie liebten sich auch so und waren ein eingespieltes Team. Warum also diese Veränderung? Aber Stefan wollte unbedingt heiraten. Weitere zwei Wochen durfte sie noch überlegen, das hatte Stefan ihr zugebilligt, obwohl er es eigentlich albern fand.
    Im Wasser unter den Sternen treibend realisierte Maja, dass sie nur nach einem Aufschub gesucht hatte, um seinen Antrag nicht ganz zurückzuweisen. Dabei vertraute sie ihm und fühlte sich geborgen und sicher. Dennoch gab es einen Teil in Majas Herz, den er nie berührt hatte. Keanu hingegen hatte schon mit seinem ersten forschen Blick in einen inneren Teil ihres Wesens getroffen, den Stefan nicht einmal kannte. Konnte es sein, dass sie auf diese Begegnung gewartet hatte, obwohl sie mit Stefan auf eine verlässliche Weise glücklich war? Aber vielleicht war ihre Liebe zu Stefan auch gar nicht die wirkliche Liebe? Vielleicht erschien ihr auch deshalb die Vorstellung einer Ehe mit ihm eher wie ein düsteres Gefängnis?
    Maja hasste es, wenn sich ihre Gedanken immerzu im Kreis drehten. Doch eine ungewisse Angst schnürte ihr jetzt im Wasser unter den Sternen die Kehle zu. Wer war sie wirklich? Und was hatte Elisa mit ihrem Leben zu tun?
    Bisher hatte sie ihre Unentschiedenheit Stefan gegenüber vor allem ihrem Alter und der Tatsache zugeschrieben, dass heutzutage so viele junge Ehen mit Kindern scheiterten. Und Maja wünschte sich unbedingt Kinder. Aber vielleicht gab es einen tieferen Grund. Vielleicht hatte ihre Angst vor vielen Jahren mit Elisas Schicksal begonnen? War sie vielleicht über ihren Vater und den Besatzungssoldat aus Hawaii irgendwie mit Elisa verwandt? War sie ein Abkömmling der Familie Vogel, die einst aus Hamburg ausgewandert war? Dann würde ihre Vision unter Wasser zumindest einen Sinn ergeben. Vielleicht lagen die Antworten auf ihre innersten Fragen nach Liebe und Zugehörigkeit zu einem Mann tief in ihrer Ahnenreihe verborgen.
    Maja sah in das unendliche Firmament der Sterne. Unendlich weit war der Himmel über ihr und bestimmt randvoll mit Wünschen und Hoffnungen auf Glück und Liebe. Alles, was sie tun konnte, war, ihren eigenen Wunsch nach Klarheit noch mit einer innigen Bitte hinzuzufügen. Eine Antwort wollte sie von den funkelnden Sternen über ihre Verbindung zu Elisa Vogel. Instinktiv spürte sie jetzt schon, dass es Elisas Schicksal war, das vor langer Zeit die Weichen für Majas Leben gestellt hatte.
    Maja schwamm ein wenig schneller, um Keanu einzuholen, und nahm sich vor, von ihm so viel über die Haifischfrau zu erfahren wie nur irgend möglich. Er hatte gute Verbindungen zu allen Inseln, auch nach Maui, wo ihr leiblicher Großvater angeblich geboren war. Vielleicht könnte sie über ihn mehr über die Herkunft ihres leiblichen Großvaters erfahren. Beide hatten sie gespürt, dass zwischen ihnen eine geheimnisvolle Verbindung bestand, die weit über eine sexuelle Anziehungskraft hinausging.
    Nachdem das erste Eis gebrochen war, waren Keanu und sie sich in den letzten Tagen schnell nähergekommen. Auch er saß in der Mittagspause gerne in dem kleinen Café an der Strandpromenade und aß einen Crêpe. Bisher hatte er sich in einiger Entfernung niedergelassen, doch an dem Tag, nachdem er ihren Hut gerettet hatte, setzte er sich an den Nebentisch. Aber er schwieg beim Essen lieber und sah hinaus aufs Meer. Also schwieg auch sie zunächst, obwohl ihr einige Fragen auf der Zunge brannten. Doch Maja konnte nicht anders, als immer wieder zu ihm hinzusehen. Einmal spürte er ihren Blick und drehte seinen Kopf. Schnell blickte sie wieder aufs Meer, um sich nicht zu verraten. Ihr Herz hatte erneut begonnen, verräterisch zu klopfen. Jedes Mal, wenn sie ihn sah, spielte es völlig verrückt.

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