Tal der Traeume
ihm die Schönheiten der französischen und italienischen Hafenstädte London verleidet, dachte er missmutig. Als Donald und Tess nach ihren Flitterwochen London besuchten, stellten sie überrascht fest, dass Myles sich in einen Stubenhocker verwandelt hatte, der lieber mit Büchern und Zeitungen am Feuer saß, als das gesellschaftliche Leben zu genießen. »Du solltest nach Berlin fahren«, riet ihm Donald. »Es ist herrlich, wir haben uns prächtig amüsiert.« Tess war jedoch anderer Meinung. »Er sollte nach Hause fahren, er hat Heimweh.« »Das stimmt nicht! Ich bin gern hier, gehe aus, wann es mir passt, vor allem ins Theater, und verzichte einfach auf die geistlosen Bälle und Soireen.« »Das liegt daran, dass du schon vergeben bist. Du vermisst dein Mädchen zu Hause. Wie hieß sie doch gleich? Lucy?« »Hörst du noch von ihr?«, wollte Donald wissen. »Natürlich.« »Dann möchte ich wetten, du hast Angst, jemand könnte sie dir wegschnappen«, lachte Donald. »Sei nicht albern, wir haben ein Arrangement getroffen.« »Dann hoffe ich, sie hält es ebenso treu ein wie du«, meinte Tess scharfzüngig. Myles grinste. »Hört auf, mir Schuldgefühle einzureden, das wird nicht funktionieren. Lucy und ich werden heiraten, aber wir sind noch zu jung.« Donald stieß einen Pfiff aus. »Das ist ja ganz was Neues. Du hast mir ihre Briefe gezeigt, sie klangen, als hätte sie schon das Brautkleid bestellt.« Tess streifte die Schuhe ab und hielt ihre Füße vor den wärmenden Kamin. »Ich habe immer schon gefunden, dass ihr zu jung seid«, bemerkte sie mit der ganzen Weisheit ihrer fünfundzwanzig Jahre. »Aber du solltest es ihr wenigstens sagen.« »Unsinn«, meinte Donald. »Er ist einundzwanzig. Hätte ich dich in dem Alter getroffen, wäre ich sofort mit dir zum Altar gelaufen, damit dich keiner wegschnappt.« »Myles, du brauchst frische Luft«, entschied Tess. »Komm doch mit! Du kannst mit auf die Jagd gehen.« »Er hasst die Jagd«, sagte Donald. Tess war verblüfft. »Du hast doch gesagt, es habe ihm gefallen.« »Das musste ich sagen, ich konnte euch doch nicht beleidigen. Aber es ist einfach nicht unser Reitstil. Myles und ich sind auf Stationen groß geworden, dort reitet man bei der Arbeit oder um irgendwohin zu gelangen. Du wirst es erleben, wenn wir heimkehren, es sind die ungeheuren Entfernungen, die endlose Weite, die solchen Spaß machen.« Myles beendete die Diskussion über seine Zukunftspläne. »Gehen wir ins Crown and Anchor, ist inzwischen mein Stammlokal. Man kann dort auch gut essen.« Donald hatte einen wunden Punkt angesprochen. Myles wollte sich sein Heimweh nicht eingestehen, vermisste aber die Viehstation, die Freiheit und Aufregung und das weite Land. Wenn er Lucy heiratete, könnte er seinen Vater überreden, ihm die Verwaltung von Millford zu übertragen und dort sesshaft zu werden. William würde dem jungen Paar diesen Wunsch niemals abschlagen, doch als allein stehender Mann konnte er nur für Pop oder den gegenwärtigen Verwalter von Millford arbeiten. Auch das wäre nicht schlecht, denn so könnte er wählen und seine Zeit auf beide Stationen verteilen, die ihm beide eines Tages gehören würden. Oder nicht? Immerhin gab es jetzt Harriet, und nur wegen ihr scheute er vor der Heimkehr zurück. Als Donald und Tess nach Schottland fuhren, fühlte Myles sich allein gelassen. Er hatte ihre Gesellschaft wirklich genossen. Er spielte jetzt doch mit den Gedanken, nach Berlin zu fahren, zog sich dann aber eine schlimme Erkältung zu und versank noch tiefer in seine niedergeschlagene Stimmung. Dann erhielt er einen nörgelnden Brief von Pop, der seine Heimkehr verlangte, und das Schreiben von William, in dem dieser ihm zum Verkauf der Agentur riet. Myles musste feststellen, dass die Trennung von Lucy seine Gefühle nicht gerade befeuert hatte; ihre Briefe interessierten ihn kaum noch. Vielleicht würde das Wiedersehen die beinahe erloschene Liebe neu entfachen, doch von hier aus wirkte seine Verlobte kindlich und albern. Dennoch, Lucy erbte einmal den beträchtlichen Besitz der Hamiltons, was ihn für die Verluste durch seine Stiefmutter entschädigen würde. Er warf einen Blick auf den Kalender. Inzwischen müsste die Familie Flores wieder in der Stadt und im Savoy abgestiegen sein. Schon besserte sich seine Laune. Die Flores stammten aus Argentinien. Er war ihnen in London, Neapel und zufällig auch in Venedig begegnet, wo sie eine Villa gemietet und darauf bestanden hatten, er müsse
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