Tal der Traeume
keinem Wort. Drei Tage nach seiner Abreise traf ein dringliches Telegramm von William an Myles’ Londoner Adresse ein. Der neue Bewohner versah es mit dem Vermerk »Unbekannt verzogen« und gab es dem Boten zurück.
William bezog diesmal eine Suite im Hotel Raffles, da er geschäftliche Besprechungen mit chinesischen und malaiischen Geschäftsleuten hatte, die viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Harriet würde sich im Hotel wohler fühlen, da es hauptsächlich von einer englischen Klientel bewohnt wurde, darunter viele Regierungsbeamte und Plantagenbesitzer aus Malaya. Nach ihrer Ankunft sprach William mit dem Geschäftsführer und erfuhr, dass einige Bekannte von ihm ebenfalls im Hotel abgestiegen waren. Er lud zwei Paare zum Essen ein, um Harriet bei dieser Gelegenheit mit ihnen bekannt zu machen. Er wollte sie diskret bitten, sich ein wenig um seine Frau zu kümmern, die sich möglicherweise allein fühlen würde. Sie sagten bereitwillig zu. Harriet war angesichts der Offenheit dieser Fremden angenehm überrascht. Besonders herzlich zeigten sich Lena und Leslie Hopetoun, die aus Malaya zu Besuch waren. Sie erwähnten beiläufig, dass Leslie dort als Sekretär und rechte Hand eines malaiischen Prinzen arbeitete. Harriet war davon derart beeindruckt, dass sie ihnen zunächst sehr schüchtern begegnete, doch Lena lud sie zum Einkaufsbummel ein und nahm ihr damit die Hemmungen. »Eigentlich müsste ich gar nichts kaufen«, meinte sie. »In Darwin braucht man nicht viel.« Nur langweilige weiße Kleider, dachte sie, wagte aber nicht einmal im fernen Singapur, dies zu erwähnen. »Unsinn, wir müssen einkaufen«, meinte Lena, die das Geld mit vollen Händen auszugeben schien. »William wird nichts dagegen haben, es wird geradezu erwartet.« Harriet ließ sich von Lenas Begeisterung mitreißen. Sie kauften billigen Tand an Straßenständen und teurere Juwelen in den unzähligen Schmuckgeschäften, die in ruhigen Nebenstraßen versteckt lagen. Die großen Kaufhäuser boten ein so atemberaubendes Warenangebot, dass Harriet der Mund offen stand. Zum Lunch gingen sie in einen Tennisklub, der so großartig ausgestattet war, dass sie voller Scham an ihr Klubhaus in Perth dachte, eine ehemalige Werkstatt. Leslie traf sie dort, und sie setzten sich mit vielen Leuten, die alle bester Laune waren, an einen Tisch. Harriet fühlte sich wieder eingeschüchtert. Es ging laut zu, man lachte dröhnend über Scherze, die bei Tisch kursierten, und auch nach dem letzten Gang wurde weiter ausgiebig getrunken, bevor man noch mehr Käse, Obst und Wein orderte. Hurrarufe ertönten, als eine dreiköpfige Kapelle aufzuspielen begann. Harriet sah erstaunt, dass es schon vier Uhr war und ein Tanztee begonnen hatte. Niemand schien an Aufbruch zu denken. Sie war inzwischen leicht beschwipst und genoss die Gesellschaft dieser fröhlichen, eleganten Menschen, wollte aber nicht länger bleiben, um William bei seiner Rückkehr im Hotel zu treffen. Immerhin musste sie ihm erklären, wie es zum Kauf all der Dinge gekommen war, die Lena frohgemut in ihre Hotelsuite hatte schicken lassen. Schließlich konnte sie sich losreißen, obwohl ihre neuen Freunde sie Aschenputtel nannten. Leslie rief ihr eine Rikscha, die sie ins Hotel brachte. William traf nur wenige Minuten nach ihr in der Suite ein. Er war bester Laune. Seine Besprechungen waren gut verlaufen, und er interessierte sich brennend für die Resultate ihres Einkaufsbummels. Von den billigen Marktwaren abgesehen, hatte sie nur teure Stücke gekauft, wofür sie nun Lena die Schuld gab. Er lachte nur, als sie alles vor seinen Augen ausgebreitet hatte. Passende goldene Taschenuhren für sie beide, die in Muschelform gearbeitet waren; Rubinohrringe; meterweise herrliche Seide… »Das reicht, um Vorhänge fürs ganze Haus zu schneidern«, stöhnte Harriet. Sechs Seidenhemden für William, die ihm gefielen. Panamahüte für Damen und Herren, die man zusammenknüllen und wieder in Form bringen konnte. Geschnitzte Buchstützen in Tierform; geschnitzte Lampenfüße und leuchtende Schirme; mit bestickter Seide bezogene Fußhocker… »Wir können alles zurückschicken«, meinte Harriet nervös, doch William blieb ganz ruhig. »Nein, was uns gefällt, das behalten wir. Lena kennt sich aus, das alles ist Qualitätsware und kostet woanders viel mehr. Den Rest verwahren wir als Geschenke. Ich werde einen Diener bitten, die schweren Stücke für uns einzupacken, damit wir sie nach Hause schicken können.
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