Tal der Traeume
gesellschaftliches Leben er in vollen Zügen genoss. Sein eigentliches Interesse galt jedoch dem Hinterland, wo er bei der Familie Flores auf einer der großen Rinderfarmen wohnte, deren Besitzer als Rancher oder Estancieros bekannt waren. Das Wohnhaus war im spanischen Stil gehalten, und die Herzlichkeit, mit der man ihn dort empfing, wärmte ihm das Herz. Seit langem schon war er nicht mehr so frei und wild geritten, und er genoss die Herausforderungen, vor die ihn die Gauchos stellten. Es waren wilde Kerle, die nichts mit den lakonischen Viehhütern seiner Heimat gemein hatten, außer dass sie ebenso gut ritten und dabei ihren Hals riskierten. Er begegnete einigen attraktiven jungen Damen, doch obwohl er ein geschätzter Gast war, ließ man ihn nie mit einer von ihnen allein. Es gab zahlreiche Veranstaltungen, formelle und zwanglose Abendessen, Musik und Tanz, doch immer wachten dunkeläugige Anstandsdamen lächelnd über die Mädchen. Er schrieb seinem Vater, er und eine Gruppe von Freunden planten eine Expedition, bei der sie die großen Flüsse und Wasserfälle erforschen wollten, von denen man überall sprach. Er hatte den Brief kaum abgeschickt, als er ein Telegramm von William über die Bank in Buenos Aires erhielt. »Pop schwer krank. Rückkehr dringend erforderlich. William.« Eine Woche später ging er in Buenos Aires an Bord der Ohio, eines Handelsschiffes, das über das Kap nach Sydney fuhr.
Als Myles nach einer elenden Reise in Sydney eintraf, verschwendete er keine Zeit. Auf dem letzten Teil der Fahrt, in der Tasmanischen See, hatte er den heftigen Seegang erdulden müssen und allmählich auch unter dem mangelnden Komfort des Handelsschiffes gelitten. Nun fand er einen Küstendampfer, der nach Darwin fuhr, und stolperte nur Minuten vor dem Ablegen mit seinem Gepäck an Bord. Myles Oatley stand an Deck, als das Schiff in den vertrauten Hafen von Darwin einfuhr. Zum Glück herrschte Flut, so dass das Aussteigen einfacher war als bei Ebbe, wenn man zu Fuß an Land waten musste. Die Barkasse legte vom Schiff ab und brachte die Passagiere zum Anlegesteg. Myles war unangemeldet heimgekehrt. Er war aufgeregt, freute sich auf das Wiedersehen mit seinem Vater und versuchte, die Sorge um Pop zu verdrängen. Williams Frau hatte er praktisch vergessen. Er rannte den Steg hinauf, entdeckte einen chinesischen Kuli mit einem Handkarren und gab ihm einen Shilling, damit dieser sein Gepäck im Haus der Oatleys an der Esplanade ablieferte. Er eilte den Hügel hinauf, achtete nicht auf die Wartenden, die andere Ankömmlinge begrüßen wollten, und wich nur knapp drei bärtigen Reitern aus, die hinter einem Packpferd trabten. Sie brüllten, er solle doch aufpassen, wohin er laufe, doch Myles hatte nur Augen für sein Ziel, Williams Büro. Es war beinahe Mittag, er musste dort sein. Doch das Büro war geschlossen. Verwirrt starrte Myles auf die Tür, bis ihm einfiel, dass Sonntag war! Achselzuckend wandte er sich zur Esplanade und ging zu dem neuen Haus, auf das William so stolz war. Er war froh, endlich zu Hause zu sein, hier in dieser Stadt, wo er jeden Winkel kannte. Er bemerkte, dass die Palmen im Park seit seinem Aufbruch gewachsen waren; auch die Büsche wirkten gepflegter, nur die hohe, alte Feige trotzte noch der Axt.
Zwei schwarze Kakadus flatterten lärmend aus den Baumkronen hoch und schreckten eine Gruppe kleiner Kängurus auf, die friedlich das spärliche Gras gefressen hatten. Sie schauten zu Myles hinüber, und er erwiderte ihren sanften Blick mit einem Lächeln, als seien sie alte Freunde. Beinahe wäre er am Haus vorbeigelaufen, das nun von einem Zaun und einem jungen Garten mit gepflegten Palmen und einheimischen Büschen umgeben war. Williams Haus sah genau so aus, wie er es geplant hatte, bis hin zu den Bambusläden, die die Veranden umschlossen. Die Schlitze waren offen, um jeden noch so kleinen Windhauch ins Innere des Hauses zu lassen. Er ging den Weg entlang und beschloss dabei, aus Spaß an die Tür zu klopfen. Tom Ling öffnete ihm. Er sah aus wie immer in seinem schwarzen Pyjama-Anzug und der kleinen, runden Kappe, aus der sein langer Zopf zu wachsen schien. Er starrte ihn an und schrie dann: »Mister Myles! Sie sind das? Sie! Ah! Kommen nach Hause.« Er riss die Tür noch weiter auf und verneigte sich grinsend. »Kommen herein! Herein! Großer Junge jetzt. Sehen an.« Er war so aufgeregt, dass seine Stimme sich überschlug. »Missy, kommen und sehen. Kommen sehen, Missy. Mister Myles
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