Tal der Traeume
er, welcher Monat war. Oktober? Dann müssten die Hamiltons hier sein. Verdammt, wo waren sie? Was für eine Heimkehr! Er ging zu Sweeneys Stallungen und stieß auf einen jungen Burschen, der die Ställe reinigte. »Habt ihr in letzter Zeit die Hamiltons gesehen?« »Die sind noch nicht da.« »Ist aber spät, oder?« »Ja, die meisten Bushies sind schon in der Stadt.« Er stellte das Wasser ab und griff nach einem Gummischrubber. »Zack hatte Probleme.« »Womit?« »Wurde von einem Schwarzen mit dem Speer verletzt. Das muss ihn wohl aufgehalten haben.« »Geht es ihm wieder gut?« »Wird jedenfalls erzählt. Bleiben diesen Sommer aber wohl zu Hause.« Myles kehrte wütend und enttäuscht in die Stadt zurück, wobei er einen großen Bogen um die Esplanade schlug. Inzwischen waren mehr Leute unterwegs; manche erkannten ihn und wollten höflich plaudern. Er brauchte beinahe eine Stunde, um ihre freundlichen Fragen zu beantworten, bis er vor dem geschlossenen Victoria Hotel eintraf. Aber er wusste Bescheid, ging zur Hintertür und klopfte an. Man ließ ihn ein, denn jetzt, während der so genannten katholischen Stunde, versammelten sich einige Einheimische, darunter auch die Polizisten, in der geschlossenen Bar. Mit einem kalten Bier in der Hand machte es Myles nichts mehr aus, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Er lachte, als ihm einige alte Bekannte mit lakonischem Grinsen zunickten. »Du kommst spät, Oatley.« Um fünf Uhr saßen Myles und seine Freunde dann sturzbetrunken in Charlie Wongs Café. Endlich war er zu Hause, entspannt und glücklich.
Sie hörte Myles zu unchristlicher Stunde heimkommen. Er polterte betrunken durchs Haus. Sie blieb im Bett und bemühte sich, wieder einzuschlafen, aber der Ärger hielt sie wach. Der nächste Tag schien endlos. Myles schlief, Harriet lief nervös umher, konnte sich auf nichts konzentrieren, da seine Gegenwart das ganze Haus auszufüllen schien. Als Myles endlich aufstand, aß er in der Küche, was immer Billy Chinn für den jungen Prinzen bereitet hatte. Später hörte Harriet ihn ins Arbeitszimmer seines Vaters gehen, und dort blieb er auch. Sie roch das Aroma von Williams Zigarren.
Myles schlug die Zeit tot und kurierte seinen Kater. Billy Chinn hatte darauf bestanden, dass er als Heilmittel eine kräftige Mahlzeit aus Steak, Ei und Würstchen zu sich nahm, bevor er Leo in der Handelsagentur aufsuchte. Danach wollte er sich mit seinen Freunden zu einem Festessen im Victoria treffen. Er durchstöberte das Arbeitszimmer, schaute in Magazine und Sammelalben, las Berichte von der Millford Station und Pops Briefe aus Warrawee und öffnete Schubladen. Sein Vater hatte gewiss nichts dagegen. Er blätterte in einem Kasten mit Zeitungsausschnitten, in denen es hauptsächlich um Zuchtpferde und Vieh ging, versehen mit Bildern, Stammbäumen und Preisen, doch eine Seite aus einer Zeitung aus Perth schien nicht recht dazuzugehören. Er wollte sie schon beiseite legen, als sein Blick auf einen Namen fiel. Er begann zu lesen. Es handelte sich um einen Brief von Mrs. William Oatley an die Zeitung. Seine Augen wurden immer größer, dann musste er lachen. Er lachte, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen. Der Brief war unerhört, und sie hatte ihn tatsächlich veröffentlicht! War sie völlig von Sinnen? Nein, ganz und gar nicht, denn sie hatte darin mit den schlimmsten Idioten und Snobs dieser Stadt abgerechnet. Sie hatte die Leute exakt porträtiert. Myles fragte sich, ob jemand in Darwin diesen Artikel kannte. Er lachte immer noch, als er am Salon vorbeikam, wo Harriet saß und nähte. »Entschuldige mich bitte, ich werde nicht zum Abendessen da sein.« Sie sprang hoch wie von der Tarantel gestochen. »Vielen Dank, dass du es mich wenigstens wissen lässt«, sagte sie sarkastisch. »Aber es ist mir ohnehin gleichgültig. Vielleicht möchtest du ja lieber im Hotel wohnen.« Myles wich zurück. Ihm schossen einige scharfe Entgegnungen durch den Kopf, doch er besann sich eines Besseren und verließ wortlos das Haus. Das war wirklich dreist von ihr. Sie würde ganz schön dumm dastehen, wenn er auszog, denn William würde sich gewiss nicht darüber freuen, dass sie seinen Sohn vertrieben hatte.
Er war noch bei Leo im Büro, der eifrig seinen Reiseabenteuern lauschte, als ein Buggy vorfuhr und sein Vater mit einer Leine voller Fische heraussprang. Myles erkannte ihn kaum wieder. Er trug ausgebeulte Fischerhosen und einen zerdrückten Filzhut, doch selbst so
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