Tal der Traeume
nächsten Vorsprung. Nun konnte er Gopiny sehen, der zusammengekauert und völlig lautlos wartete. Was sollte das? Warum machten sie nicht weiter? Dann erklang ein leiser Pfiff, und Gopiny griff nach einem geschälten Ast, den er als Hebel unter einen schweren Felsblock schob. Als dieser sich bewegte, presste sich Gopiny an den Boden, als traue er sich nicht, sein Werk zu vollenden. Der Fels schwankte, blieb aber an Ort und Stelle liegen. Gopiny versetzte ihm einen Fußtritt. Weg war er! Gleichzeitig stürzten andere Felsen neben Gopiny hinunter und verschwanden aus seinem Blickfeld, da der Winkel zu steil war, um ihren Fall zu verfolgen. Gopiny machte sich am nächsten Block zu schaffen, der nicht glatt wie die anderen war, sondern rau und gefurcht, Teil einer zerbrochenen Schicht, die auf einem Vorsprung balancierte. Er arbeitete eine Weile daran, konnte ihn aber nicht bewegen. Er ergriff seinen Stock und verschwand außer Sichtweite. In diesem Moment meinte Djarama, eine Bewegung bemerkt zu haben. Der Fels hatte sich eindeutig bewegt. Er wollte Gopiny schon nachpfeifen, überlegte es sich aber anders. Er würde es selbst tun. Gopiny war ein Schwächling! Aufgeregt huschte Djarama zu dem Felsblock hinüber. Er hätte gern gewusst, was unter ihm geschah, ob die herabstürzenden Steinblöcke das erwartete Chaos erzeugt hatten. Über ihm hämmerte Mimimiadie gegen einen Felsen, und er konnte ihn gerade noch in einer Fontäne aus Geröll hinabstürzen sehen. Ein Einziger! Er hatte sich vorgestellt, sie würden Dutzende von Felsblöcken hinunterjagen, eine richtige Steinlawine lostreten. Er musste ihnen wohl zur Hand gehen. Er verbarg sich, gab keinen Laut von sich, damit sie nicht wieder wütend auf ihn wurden. Er würde nur diesen einen lockern und dann schnell zu dem Alten hinaufklettern. Doch der Block saß sehr fest, fester als erwartet. Er wünschte, er hätte auch einen Stock mitgebracht. Schließlich zwängte er sich in einen Spalt hinter dem widerspenstigen Block, setzte sich, den Rücken gegen die Felswand gepresst, und stemmte die Füße mit aller Kraft gegen den Block. Er konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken, als der Stein nachgab und in die Tiefe stürzte. Doch der Sims unter ihm bröckelte, seine Hände und Füße fanden nur noch loses Geröll. Voller Panik spürte er, wie er ins Rutschen geriet. Er fuchtelte mit den Armen, suchte nach einem Halt, doch alles gab nach. Er wollte den Erdrutsch stoppen, Boden unter den Füßen gewinnen, aber der ganze Hang schien sich zu lösen, so langsam, dass er jeden Moment innezuhalten schien. Doch das war eine Illusion. Djarama war in einen Erdrutsch geraten, der schnell an Tempo gewann. Und dann kam das Nichts. Er schrie, als er von der Felskante geschleudert wurde. Seine Schreie hallten von den Wänden wider und erstarben, als sein Leben erlosch.
Numinga träumte von einem schäumenden Fluss, Fluten, die Abfälle mit sich führten, doch er selbst saß sicher in einem Kanu, manövrierte geschickt durch die Stromschnellen, und Djarama war bei ihm. Er sah allerdings nicht aus wie Djarama, sein Passagier war ein Weißer. Und Djarama schrie vor Angst, konnte nicht glauben, dass keine Gefahr bestand… Er fuhr hoch. Hellwach. Hatte er Schreie gehört?
Mimimiadie und seine Gefährten waren wieder da, kamen angerannt, sammelten ihre Speere auf, verwischten die Spuren ihrer Lagerfeuer. »Was ist los?«, fragte Numinga besorgt. Gopiny zitterte. »Der Junge. Er ist abgestürzt. Hat geschrien. Es war schrecklich. Ein Vorsprung hat nachgegeben.« »Abgestürzt! O nein! Bist du sicher? Vielleicht ist er nur ein Stück gerutscht. Bist du sicher?« »Wir haben ihn fallen sehen«, meinte Gopiny schaudernd. »Er ist bis unten gestürzt.« »Und er ist tot.« Mimimiadie empfand kein Mitleid. »Du hättest ihn bei dir behalten sollen. Jetzt hat er alles verdorben. Wir müssen weg von hier.« »Wohin denn?«, schrie Gopiny. Matong, ein mürrischer Bursche, der selten sprach, war schon im Aufbruch begriffen. »Der Trupp kommt. Ich gehe heim.« »Das geht nicht«, zischte Mimimiadie. »Sie werden uns suchen.« »Hier aber auch. Woher kommen sie? Das weißt du auch nicht.« Mimimiadie wusste, Matong hatte Recht, die Weißen konnten von beiden Enden der Schlucht kommen. Aber er musste das letzte Wort behalten. »Es ist besser, wir teilen uns«, rief er, als Matong davontrottete. »Du kommst mit mir«, sagte er zu Gopiny. »Wohin?« Der andere geriet in Panik. »Wenn du nicht
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