Tal der Träume
Deshalb verlangt das Protokoll, dass du hier bleibst. Man hat mich in den Palast dieses Sonnenkönigs eingeladen, aber meine englischen Berater meinten, ich solle meine Frau nicht mitbringen, da Frauen dort nicht sonderlich hoch angesehen sind.«
»Du meinst, ich wäre dir im Weg?«
»Und wie!«
»Schade, ich hätte so gern gesehen, wie sie leben.«
»Das bekommen nur wenige Europäerinnen je zu sehen. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, hier auf mich zu warten. Ich erzähle dir alles, wenn ich zurück bin.«
»Natürlich bin ich enttäuscht, aber ich möchte keinen Skandal verursachen.«
»Nun, es tut mir ehrlich Leid, Harriet, aber ihre Investitionen sind bedeutend, obwohl die eigentliche Zahlung vermutlich über eine Londoner Bank erfolgen und die Firma einen englischen Namen tragen wird.«
»Wieso?«
»Wer weiß, welche verschlungenen Wege diese Burschen einschlagen. Die Quelle liegt jedoch in Prinz Abu Selongs Palast, und ich muss die Gelegenheit ergreifen. Sie investieren Millionen in aller Welt, und ich verlange im Vergleich dazu wenig. Außerdem sprechen meine Fakten und Zahlen für sich.«
»Warum kann ich nicht in der Nähe wohnen und eine Stippvisite im Palast machen?«
»Unmöglich, ich würde mein Gesicht verlieren. Und wenn du im Palast wohntest, was sie im Übrigen nicht verweigern könnten, würdest du hinter Schleiern versteckt Gefahr laufen, eine Favoritin des Prinzen zu beleidigen, weil du die gesellschaftlichen Regeln nicht beherrschst. Meine chinesischen Freunde haben mir geraten, äußerst umsichtig vorzugehen.«
»Verstehe«, meinte Harriet gekränkt. »Vermutlich wird dein Prinz Tanzmädchen auffahren, um dich zu unterhalten.«
»Sei nicht albern«, meinte William, »ich habe geschäftlich dort zu tun.«
»Das war doch nur ein Scherz. Geh nur, ich komme schon zurecht. Vielleicht stelle ich selbst einige Erkundungen an, die Geschäfte kenne ich ja zur Genüge.«
»Ja, aber wage dich nicht zu weit in die Viertel der Einheimischen, und nimm nur die hoteleigenen Rikschas.«
Harriet verbrachte zwei ruhige Tage allein, bevor Lena nach ihr sah, sich für ihre Abwesenheit entschuldigte und unter Gelächter erklärte, sie sei auf einer Dinnerparty gewesen, die geschlagene zwei Tage gedauert habe.
Harriet sah sie erstaunt an. »Wie ist das möglich?«
»Ganz einfach, wir waren bei den Sinclairs. Alle haben sich so gut amüsiert, dass niemand nach Hause gehen mochte. Es ging immer weiter.«
Allmählich schwante Harriet, dass William diese Leute doch nicht so gut kannte.
»Aber jetzt mal im Ernst, wie gefällt dir mein neues Kostüm?«
Harriet hatte das blassblaue Kostüm mit der bestickten Jacke, der adretten Bluse und dem langen Bahnenrock schon bewundert. »Es ist wunderschön. Ungewöhnlich. Die neueste Mode?«
»Für tagsüber schon. Ich habe eine großartige Schneiderin aufgetan, da gehen wir heute früh hin.«
»Was willst du dir machen lassen?«
»Nicht ich, du. Du kannst einfach nicht mehr in diesen schweren, gerafften Röcken herumlaufen, und die Ballonärmel sind völlig aus der Mode.«
»Ich dachte, sie seien der letzte Schrei. Zu Hause in Darwin jedenfalls.«
»Oh nein, du brauchst nur einen leichten Puffärmel so wie hier, das ist weicher. Kein Raffungen und Überröcke auf den Hüften mehr. Die Linie ist schmaler geworden, man trägt Glockenröcke. Es hat alles mit der Taille zu tun, man bezeichnet sie als Wespentaille. Du musst dein Korsett enger schnüren, damit es richtig wirkt.«
Bald schon war Harriet einer französischen Schneiderin namens Mimi auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie beschäftigte ein halbes Dutzend chinesischer Damen, die in einer Nische hinten im Laden eifrig nähten. Die Art, in der sie und Lena über Harriets Geschmack sprachen, schüchterte sie so sehr ein, dass sie am Ende eine komplette neue Garderobe orderte, Batist und Leinen und Seide in zarten Pastelltönen, dazu endlose Spitzen.
»Ihre Kleider machen sie alt und unmodern«, meinte Lena. »Diese hier sind viel flotter und wirken sehr chic.«
»Ja, harte Farben sind völlig unmodern«, stimmte ihr Mimi zu. »Aber Madame ist so groß, so schön, die neuen Farben werden ihr ausgezeichnet stehen. Nur das Haar … zu viel Haar.«
Harriets Freude über die Komplimente verlieh ihr neues Selbstvertrauen. »Da lässt sich nichts machen, es ist eben sehr lang.«
»Zu lang, Madame. Und vorn eingerollt, das sieht matronenhaft aus. Diese dicken Rollen erdrücken Ihr Gesicht. Sie haben
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