Tal der Träume
schöne Züge, Sie sollten Ihr Haar abschneiden lassen.«
»Sie hat Recht!«, rief Lena und setzte den Hut ab, um zu demonstrieren, dass sie ihr eigenes weiches, blondes Haar nur schulterlang trug.
»Aber mein Haar ist glatt«, stöhnte Harriet. »Ich wüsste nicht, was ich mit kurzem Haar anfangen soll.«
»Dann wirkt es aber geschmeidiger«, erklärte Lena strahlend, »nicht mehr wie ein dickes Vogelnest. Oder du könntest dir Locken machen lassen. Meine Zofe legt mir oft Locken.«
Harriet wagte nicht, diesen eleganten Frauen zu gestehen, dass sie keine Zofe besaß. Sie eilten mit ihr zu einem Damenfriseur, einer Institution, die in Darwin nicht existierte, dort gab es nur einen Barbier.
Harriet weinte beinahe, als ihr hüftlanges Haar in Strähnen zu Boden fiel und einfach wie Abfall weggekehrt wurde. Der Friseur ging mit Bürste, Kämmen und scharfer Schere wieder ans Werk, bis ihr Haar säuberlich in der Mitte gescheitelt und auf dem Kopf in Rollen gelegt war.
»Schönes, dickes Haar, leicht zu frisieren«, meinte der Friseur, während er sein eigenes Werk bewunderte. »Kommen Sie vor der Abreise noch einmal zu mir, Madam, dann zeige ich Ihnen, wie es geht. Es ist beinahe wie Ihre alte Frisur, aber ohne die schwere Rolle über der Stirn.«
Harriet schaute verblüfft in den Spiegel. Sie hatte immer nur zwei Frisuren gekannt, Zöpfe und den »matronenhaften« Stil, den ihre Mutter trug, doch nun wirkte sie wie ein anderer Mensch – frischer, strahlender, ihre Augen sahen plötzlich größer aus. Sie lächelte erfreut.
»Ich habe es dir doch gesagt«, flötete Lena. »Einfach wunderbar. Du bist ein völlig neuer Mensch.« Sie schnappte sich einen runden Hut aus weißer Spitze mit rosa Federn und platzierte ihn auf Harriets Kopf.
»Sieht das nicht entzückend aus? Den hättest du vorher gar nicht tragen können.«
»Es sieht wunderschön aus«, sagte Harriet verblüfft.
»Ist er zu verkaufen?«, erkundigte sich Lena.
»Ja, Madam.«
»Dann soll sie ihn haben. Er wird herrlich zu dem rosa Nachmittagskleid passen. Schicken Sie ihn zu Mrs. Oatley ins
Raffles
.«
Auf dem Rückweg zum Hotel war Harriet wie betäubt, schämte sich ihres unmodernen Taftkleides mit den bauschigen Ärmeln und war gleichzeitig stolz auf die neue Frisur, die sich unter dem ausladenden Hut verbarg.
»Macht das nicht Spaß?«, fragte Lena. »Morgen kaufen wir dir ein paar neue Hüte.«
Drei Tage später trafen die Kleider ein, und Lena musste das Mädchen zu Hilfe rufen, um Harriet in die neuen Korsetts zu schnüren.
Die Kleider waren atemberaubend: ein Schneiderkostüm, beinahe noch eleganter als Lenas, dazu ein wunderschönes Abendkleid aus gelbem, besticktem Tüll mit einem weich fließenden Rock und passender Stola. Die anderen, mit Volants besetzten Kleider waren ebenfalls traumhaft geschnitten und dem tropischen Klima angepasst. Allerdings fand sich nicht ein einziges weißes Modell darunter. Das Mädchen bestaunte ehrfürchtig die Kleider.
»Madam, noch nie habe ich so schöne Kleider gesehen.«
»Ich auch nicht«, gestand Harriet.
Lena und Leslie gingen mit ihr zum Rennen, und Leslie war verblüfft, als er sie erblickte.
»Himmel, du siehst hinreißend aus, Harriet.«
Sie dachte schon, seine Frau habe ihm diese Komplimente nahe gelegt, doch im Rennklub zog sie alle Blicke auf sich, wurde von jungen Herren umschwärmt und in die Geheimnisse der Pferdewetten eingeführt. Zwei von ihnen boten sogar an, ihr Singapur zu zeigen oder mit ihnen zu speisen, da sie den Trauring anscheinend nicht bemerkt hatten. Sie lehnte errötend ab, während Lena kichernd hinter ihr stand.
Niemand zog sich um, bevor sie nach dem Rennen im Schlepptau von Lena und ihrer Clique eine Party am Strand besuchte, wo weiter getrunken wurde. Es gab ein formloses Büfett im Wohnzimmer, wo man die Teppiche weggeräumt hatte, um Platz zum Tanzen zu schaffen. Ein Pianist am Flügel und ein eifriger Violinist sorgten für die musikalische Untermalung.
Noch nie hatte Harriet einen so formlosen Umgang oder eine so fröhliche Party erlebt, und sie amüsierte sich prächtig. Diese Welt war ganz anders als das Singapur ihrer Flitterwochen – das ruhige Haus, die steifen Bankette bei den Chinesen. Und weit entfernt vom langweiligen alten Darwin.
William war außer sich. Das neue Nachmittagskleid interessierte ihn nicht im Geringsten.
Er war hereingekommen und hatte sie umarmt, glücklich, wieder bei ihr zu sein.
»Ich habe dich so vermisst, meine
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