Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tal der Träume

Tal der Träume

Titel: Tal der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
beinahe Mittag, er musste dort sein.
    Doch das Büro war geschlossen. Verwirrt starrte Myles auf die Tür, bis ihm einfiel, dass Sonntag war!
    Achselzuckend wandte er sich zur Esplanade und ging zu dem neuen Haus, auf das William so stolz war. Er war froh, endlich zu Hause zu sein, hier in dieser Stadt, wo er jeden Winkel kannte. Er bemerkte, dass die Palmen im Park seit seinem Aufbruch gewachsen waren; auch die Büsche wirkten gepflegter, nur die hohe, alte Feige trotzte noch der Axt. Zwei schwarze Kakadus flatterten lärmend aus den Baumkronen hoch und schreckten eine Gruppe kleiner Kängurus auf, die friedlich das spärliche Gras gefressen hatten. Sie schauten zu Myles hinüber, und er erwiderte ihren sanften Blick mit einem Lächeln, als seien sie alte Freunde.
    Beinahe wäre er am Haus vorbeigelaufen, das nun von einem Zaun und einem jungen Garten mit gepflegten Palmen und einheimischen Büschen umgeben war. Williams Haus sah genau so aus, wie er es geplant hatte, bis hin zu den Bambusläden, die die Veranden umschlossen. Die Schlitze waren offen, um jeden noch so kleinen Windhauch ins Innere des Hauses zu lassen. Er ging den Weg entlang und beschloss dabei, aus Spaß an die Tür zu klopfen.
    Tom Ling öffnete ihm. Er sah aus wie immer in seinem schwarzen Pyjama-Anzug und der kleinen, runden Kappe, aus der sein langer Zopf zu wachsen schien.
    Er starrte ihn an und schrie dann: »Mister Myles! Sie sind das? Sie! Ah! Kommen nach Hause.« Er riss die Tür noch weiter auf und verneigte sich grinsend.
    »Kommen herein! Herein! Großer Junge jetzt. Sehen an.«
    Er war so aufgeregt, dass seine Stimme sich überschlug. »Missy, kommen und sehen. Kommen sehen, Missy. Mister Myles zu Hause! Mister Myles zu Hause!«
    Harriet kam in einer Wolke aus blauem Musselin herbeigelaufen. Ihr glänzendes Haar war im französischen Stil mit Bändern geschmückt und aufgesteckt. Das makellose Gesicht strahlte, die braunen Augen unter den schön geformten Brauen leuchteten, der Mund war zu einem freudigen O geöffnet. Missbilligend stellte Myles fest, dass sie viel hübscher aussah als in seiner Erinnerung.
    Tom Ling war außer sich. »Ihr Zimmer, Mr. Myles. Kommen sehen. Extra für Sie. Noch nie gesehen …«
    Sie kam auf ihn zu. »Myles! Ich freue mich, dich zu sehen. Wann bist du angekommen? Es tut mir Leid, ich hätte dich abholen sollen, aber wir kannten den Termin deiner Ankunft nicht. Wie schön, dass du endlich zu Hause bist.«
    Seine Stiefmutter näherte sich ihm, als wolle sie ihn umarmen oder einen mütterlichen Kuss auf seine Stirn drücken – die Frau, die seinen alten Vater verführt hatte.
    Entsetzt wandte er sich an Tom Ling: »Wo ist mein Vater?«
    »Er weg, Mr. Myles. Fischt auf Chinesenboot«, kicherte Tom Ling. »Kommt zurück ein, zwei Tage. Bald. Große Überraschung, was?« Myles nickte. »Gut, du kannst mir mein Zimmer zeigen. Das Gepäck kommt gleich nach.«
     
    Harriet blieb verwirrt stehen und errötete angesichts dieser schroffen Zurückweisung. Sie konnte kaum fassen, dass er sie geschnitten hatte. Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie unterdrückte sie. War er nur wütend, weil sein Vater nicht da war, um ihn zu begrüßen? Oder enttäuscht? Aber William hatte wirklich nichts von seiner Ankunft gewusst. Es ergab keinen Sinn. Sie hörte die Stimmen aus Myles’ Zimmer und war beinahe eifersüchtig auf Tom, weil er ihn nun herumführte und nicht sie. William hatte zwei große Zimmer für Myles und Pop reserviert. Er war sehr stolz darauf und hatte die Räume im Hinblick auf ihre Bedürfnisse eingerichtet. Tom Ling hatte sie immer lüften müssen. Harriet selbst hatte dafür gesorgt, dass seine Bücher, Kleider und übrigen Besitztümer gepflegt wurden, so dass bei Myles’ Heimkehr alles bereit war.
    Da sie nicht wusste, was sie mit sich anfangen sollte, ging sie ins Wohnzimmer und griff nach einer Zeitung. Vielleicht wünschte Myles ja einen Morgentee, und so schlich sie auf Zehenspitzen in die Küche, als könne sie sonst die Ruhe des Hauses stören. Nun drang auch Billy Chinns aufgeregte Stimme aus dem Schlafzimmer.
    Sie seufzte, fühlte sich unglücklich und ausgeschlossen. Daher bezog sie wieder Stellung im Wohnzimmer und unternahm den Versuch, sich auf eine Zeitung aus Perth zu konzentrieren, die schon eine Woche alt war. Myles sah reifer aus, so als habe er die kindlichen Schichten seiner Persönlichkeit abgestreift. Auch seine Stimme klang voller. Sie versuchte, ihn durch die Wand

Weitere Kostenlose Bücher