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Tal der Träume

Tal der Träume

Titel: Tal der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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zu belauschen, als er nun mit den Dienstboten im Speisezimmer sprach. Er klang plötzlich so englisch!
    »Verdammt«, murmelte sie, »für wen hält er sich?«
    Das war eine gute Frage. Wie konnte er es wagen, in ihr Heim einzudringen und sie zu behandeln, als sei sie gar nicht da? Enttäuschung oder nicht, es gab keinen Grund für ein derartiges Verhalten. Sie spielte mit dem Gedanken, ihn geradeheraus zu fragen, ob es neuerdings zum guten Ton gehöre, die Frau seines Vaters zu ignorieren? Aber ihr fielen nicht die richtigen Worte ein, außerdem würde er vielleicht doch noch hereinkommen und sich entschuldigen.
    Sie wartete. Hörte das Klappern eines Teetabletts, fröhliche Stimmen, dann traf das Gepäck ein, der Kuli plapperte, der Handkarren fuhr quietschend zur Seitentür des Hauses, und Tom Ling erteilte Befehle.
    Harriet konnte ihren Gast sehen, wie er gemütlich im Speisezimmer saß, Tee trank und Kekse knabberte, während Tom Ling die Sachen auspackte. Das Haus war unheimlich still. Und heiß, stickig, der Schweiß rann an ihr herunter. Hoffentlich fand er es nach dem kalten englischen Klima richtig ungemütlich, dachte sie. Warum war William ausgerechnet jetzt auf dieser Angeltour? Warum konnte er nicht hier sein und die Situation bereinigen? Seinen überheblichen Sohn zur Ordnung rufen?
    Doch dann mahnte sie sich zur Vorsicht. Vielleicht reagierte sie übertrieben. Wenn er nun im Speisezimmer saß und auf sie wartete? Außerdem liebte William seinen Sohn wie seinen Augapfel. Der gesunde Menschenverstand sagte ihr, dass sie Ärger um jeden Preis vermeiden musste.
    Nachdem sie diese Entscheidung getroffen hatte, stand Harriet auf, prüfte ihr Aussehen im Spiegel und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Zum Glück hatte sie sich an diesem Morgen für das hübsche, luftige Kleid entschieden. Schrecklich, wenn er sie im Morgenmantel angetroffen hätte. Dann fiel ihr ein, dass sie nicht zum Sonntagsgottesdienst gegangen war. Nun, Gott würde ihr Fehlen sicher entschuldigen; sie musste sich um Familienangelegenheiten kümmern.
    Myles saß noch am Tisch, eine Zeitschrift gegen die Zuckerdose gelehnt, als Harriet festen Schrittes eintrat.
    »Alles zu deiner Zufriedenheit, Myles?«
    Er nickte kaum merklich. »Danke, ja.«
    »William wird begeistert sein, dass du sicher heimgekehrt bist. Er hat sich große Sorgen gemacht.«
    »War nicht nötig, ich bin so schnell wie möglich gekommen.«
    »Natürlich. Was liest du gerade?«
    »Die
Countryman’s Gazette
, das ist doch offensichtlich. Ich habe einiges nachzuholen.«
    Harriet wich nicht zurück. »Das stimmt wohl. Pop geht es viel besser. Er war lange Zeit sehr krank, scheint das Schlimmste aber überstanden zu haben.«
    »Ja, Tom Ling hat es mir erzählt.« Er erhob sich vom Tisch und schob die aufgeknöpften Hemdsärmel hoch. »Würdest du mich bitte entschuldigen? Ich möchte nachschauen, wo Tom Ling meine Sachen einräumt.«
    »Keine Sorge, er wird nichts von seinem Platz entfernen.« Harriet blieb hartnäckig. »Wie findest du das Haus?«
    Er schob seinen Stuhl ordentlich an den Tisch. »Größer als erwartet. Aber passend für Darwin.«
    Nun versuchte Harriet, sich beliebt zu machen. »Ja, ich glaube, deine Mutter hat es entworfen.«
    »Meine verstorbene Mutter, ja. Ich möchte allerdings bezweifeln, dass sie an das Ambiente eines asiatischen Freudenhauses gedacht hat.«
    Sie spürte, dass dieser Mann, der in ihrem Haus vor ihr stand und trotz aufgekrempelter Ärmel noch immer wie ein Dandy wirkte, sie provozieren wollte. Sie hatte ihm als Dame des Hauses nicht erlaubt, das Jackett abzulegen. Mit ungekämmtem Haar und offenem Kragen in ihrem Haus herumzulungern, als müsse er keinen Anstand wahren! Andererseits musste sie als Frau seines Vaters unerfreuliche Szenen vermeiden.
    »Ich nehme an, du hast Recht«, sagte sie ruhig. »Aber es scheint, als wüssten die Asiaten besser, wie man mit der Hitze zurechtkommt, daher auch die leichteren Möbel.« Sie lächelte. »Ich finde, Rohr und Bambus wirken irgendwie kühler als das gute alte Mahagoni.«
    Myles zuckte mit den Schultern. »Kommt wohl auf den Geschmack an. Meine verstorbene Mutter hatte einen exzellenten Geschmack, und sie wurde im Territorium geboren. Wir benötigen keine Lektionen über den Umgang mit der Hitze. Wenn du mich nun
bitte
entschuldigen würdest, ich möchte nach meinen Sachen sehen.«
     
    Harriet dachte mit Schrecken an das bevorstehende Abendessen mit Myles. Da sie trotz allem mit

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