Tal der Träume
die lichten Wälder und ihr üppiges Land am Daly River gelangen würde. Numinga vermutete, dass Gopiny dazu neigte, Matong zu folgen und den Heimweg zu wagen. Doch Mimimiadie hatte das Sagen.
»Wo willst
du
hin?«, fragte er Numinga. Nicht, dass es ihn interessiert hätte, es war eine Art Entlassung.
Numinga sah ihnen nach, schaute auf ihre harten, schwarzen Rücken mit den Narben, die ihre Männlichkeit bewiesen. Er trug diese Narben auch, aber im Gegensatz zu ihnen fanden sich auf seinem Rücken auch die Spuren, die die Peitschen der Weißen hinterlassen hatten.
Er zuckte die Schultern. Kein großer Verlust. Sie hatten nicht um den Jungen geweint, der in die Traumzeit eingegangen war. Vielleicht war er inzwischen dort angekommen. Es waren schon seltsamere Dinge geschehen.
Und nun? Es war klar, dass er an diesem Ort nicht bleiben konnte; man würde ihn auf der Stelle erschießen. Die Weißen gerieten in Wut, wenn auch nur eines ihrer zahllosen Rinder umkam. Die Felsbrocken mussten die Armee der Tiere in absolute Panik versetzt haben. Als ehemaliger Viehhüter hätte er sich nicht darum gerissen, mit den Rindern in diesen engen Spalt zu reiten. Das wirkliche Chaos war vermutlich am anderen Ende entstanden, wo die flüchtenden Tiere hindrängten. Falls sich die Treiber aus der Stampede befreit hatten, wären sie dort, um die Tiere einzufangen. Und von dort aus würden sie auch nach oben schauen. Matong hatte Recht. Der Weg zurück war sicherer.
Er stand auf, bereitete sich auf eine lange Wanderung vor. Er musste den Suchtrupps, ob nun privat oder von der Polizei, ausweichen, die noch immer nach den Mördern der Goldsucher fahndeten; sie gaben niemals auf. Außer natürlich, sie hatten in der Zwischenzeit als Vergeltungsmaßnahme willkürlich ein paar Schwarze hingerichtet.
Diese Vergeltungsmaßnahmen waren der schlimmste Teil des Krieges. Das Wort hatte er von den Weißen gelernt und entdeckt, dass es schlicht und einfach Rache bedeutete. Welchen Sinn hatte ein Krieg, der auf Vergeltung beruhte?, fragte er sich. Nach seinen Gesetzen fielen Einzelpersonen, die gegen die Regeln verstoßen hatten, der Vergeltung anheim. In Sonderfällen wurde diese durch die Magier ausgeübt, das Ritual des Knochenzeigens war eine wirkungsvolle Strafe. Nicht aber dieses endlose »du tötest, ich töte«, das nie zu einem greifbaren Ergebnis führte. Man setzte sich nicht wie früher hin, um Probleme zwischen Stämmen zu lösen, sondern mordete einfach. Numinga konnte den Blick in die Zukunft nicht ertragen. Er war müde. Er sehnte sich nur nach einer sicheren Zuflucht.
Es gab einige Stämme weit im Süden oder drüben in Arnhem-Land, jenseits der Alligatorflüsse, die noch nicht von marodierenden Weißen gejagt wurden, doch sie lebten zu weit entfernt. Er hatte sich Mimimiadie und seinen Gefährten nur angeschlossen, um nicht allein zu sein, und war durch sie in die Morde hineingezogen worden. Natürlich war er entsetzt über das Verbrechen an Mimimiadies Frau, wegen ihr würden keine Suchtrupps durch das Land ziehen. Nur der rasende Ehemann, den sein Schmerz gefährlich machte.
Was also sollte er tun? Der sicherste Ort lag wohl in den brütend heißen Urwäldern, die noch den Stämmen vom Daly River gehörten. Sie waren für die Weißen zu gefährlich, außer für solche, die bewusst den Tod suchten. Das Problem war nur, dass die Daly-Leute, Männer wie Mimimiadie, sich dagegen wehrten, in die von Krokodilen bevölkerten Gebiete abgedrängt zu werden. Ihnen gehörte das ganze Land ringsum, wo sie hätten jagen können, wie sie es seit jeher getan hatten, wenn die gierigen weißen Männer es nicht an sich gerissen hätten. Deshalb zogen halsstarrige Männer wie Mimimiadie dort draußen umher. Es war ihr Land. Ihr Jagdrevier.
Numinga zuckte die Achseln. In einem hatte Mimimiadie Recht gehabt. Es war besser, sich zu teilen. Und seine Chance standen besser als die der anderen. Er sprach Englisch, und wenn ihn niemand erkannte, würde er sich als Viehhüter ausgeben, der nach Arbeit suchte. Ein Viehhüter, der nur eine Kordel um die Taille trug? Wohl kaum. Falls er es bis in die sichere Zuflucht von Daly River schaffte, würde er Kleider finden müssen.
4. Kapitel
D er Hauptteil der Herde wurde zurückgehalten, während vier Männer die erste Gruppe, an die dreihundert Tiere, in die kühlen Tiefen der Schlucht führten. Duke Milligan, Paddys Sohn, ritt ganz vorn, um die Herde in Schach zu halten, sobald sie aus der Enge in die
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