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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der auch gekommen war und in seinem Sessel saß, bewies, daß er wirklich der Größte war: Er ließ sich von Pater Lucius zeigen, wie man die Säge hielt, wie man sie anstellte, und dann fällte er selbst einen Baum. Die Krieger stimmten ein Geschrei an und traten gegen den gefällten Stamm, als sei er ein besiegter Feind. Mit stolzem Blick gab Dai Puino die Motorsäge an Pater Lucius zurück.
    Leonora, Reißner, Kreijsman und Schmitz zogen unterdessen durch das erste Planquadrat. Samuel hatte fünf Krieger als Führer bekommen und ging ihnen voraus. Reißner und Schmitz hatten jeder ein Gewehr mitgenommen. Keiner wußte ja, ob wilde Tiere im Dickicht lebten, es sollte – so hatte Zynaker gehört – Panther und Jaguare geben. Oder Tiere, die man noch nie gesehen hatte? Überbleibsel aus der Urzeit?
    Schon am ersten Tag sahen sie, daß Zynaker richtig vermutet hatte: Der Urwald war durchlöchert.
    Die Führer waren in weit auseinandergezogener Kette dem Trupp vorausgegangen, um die Pfade, die oft nur so schmal waren, daß ein Mensch gerade aufrecht gehen konnte, vor den feindlichen Pogwa zu sichern. Sie wurden von Affen verfolgt, die sich kreischend von Baum zu Baum schwangen und damit andere Tiere warnten. Aber sie hätten auch die Feinde der Uma verraten, wenn sie in der Nähe gewesen wären. Das Warnsystem des Urwalds funktionierte vorzüglich; es half jedem zu überleben.
    Nach einem Marsch von vier Stunden durch den feuchten Wald, in dem die Hitze das Atmen schwer machte, blieb Reißner stehen. »Genau genommen sind wir Idioten«, sagte er keuchend. »Wir winden uns auf Kopfjägerpfaden durch die Wildnis, aber was links und rechts von uns liegt, wissen wir nicht. Wenn hier in der Nähe der Gänge ein Flugzeug durch die Baumkronen gekracht wäre, dann wüßten es die Eingeborenen. Wenn es fünfhundert Meter links oder rechts von uns passiert ist, hat der Urwald es aufgefressen. Das ist doch logisch, nicht? Und nach zehn Jahren sieht man auch keine Einschlagstelle mehr. Leonora, was bringt uns dieser Spaziergang außer Blasen an den Füßen?«
    Zynaker mußte Reißner recht geben, er hatte genau so gedacht, es aber nicht ausgesprochen. Wenn von den Eingeborenen keine Hilfe kam, war es unmöglich, in dieser unzugänglichen Urlandschaft zu suchen und etwas zu finden. Nur Erzählungen der Uma oder Pogwa und anderer Nachbarstämme brachten sie weiter. Zu ihnen aber kamen sie nie, wenn Uma-Führer sie begleiteten. Es konnte dann nur ein Gemetzel werden.
    »Was nutzen uns die ganzen schönen Planquadrate, wenn wir nicht in sie hineinkommen?« fuhr Reißner ungerührt fort. »Wir können doch nicht einige Quadratkilometer Urwald abholzen! Ich schlage vor, wir kehren um und überlegen uns, ob wir nicht Kontakt mit anderen Stämmen aufnehmen sollten.«
    Zynaker sah Leonora fragend an. An seinem Blick erkannte sie, daß er genau so dachte wie Reißner. Sie nickte stumm.
    Samuel kam zurück, um zu sehen, wo die Kolonne blieb. »Alles frei!« sagte er. »Massa, es gibt keine fremden Krieger.«
    »Ruf die Uma zurück! Wir kehren um.«
    Samuel glotzte sie verständnislos an. Aber wer versteht schon die Weißen? Mit einem Flugzeug voller Sachen fliegen sie in den Urwald, um Massas Vater zu suchen, und als es losgeht, kehren sie um. Kann man das begreifen?
    Samuel legte die Hände wie einen Trichter vor den Mund und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Kurz darauf antworteten ihm fünf gleiche Schreie aus der Ferne. Die Uma liefen leichtfüßig und lautlos zurück.
    Von weit her hörte man jetzt die dumpfen Laute von Baumtrommeln. In Samuels Augen sprang ein Erschrecken. »Die Pogwa haben uns schon gesehen«, stammelte er. »Gut, daß Massa umkehrt!«
    Ihre schnelle Rückkehr ins Dorf wurde von den Uma teilnahmslos hingenommen. Um so größer war die Wirkung bei Pater Lucius und Lakta. Der Pater stürzte aus seiner Kirche und lief der kleinen Karawane entgegen. Lakta preßte ihre Hände gegen ihre Brüste und war glücklich. Pepau kam zurück, sein Kopf blieb nicht bei den Pogwa, er lachte ihr zu und winkte.
    Sollte der neue Gott, von dem Pater Lucius erzählte, wirklich geholfen haben? Zum erstenmal hatte Lakta am frühen Morgen, als die Kolonne losgezogen war, vor dem Kreuz auf dem Klapptisch gekniet und die Hände gefaltet, wie sie es bei Pater Lucius gesehen hatte. Sie ahnte, daß man so mit diesem Gott sprechen konnte, und sie sprach mit ihm in ihrer Sprache und sagte: »Laß ihn wiederkommen. Beschütze ihn. Töte

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