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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Pogwa.« Sie wußte noch nicht, daß dieser neue Gott nicht tötete, sondern sagte: »Liebet eure Feinde.« Aber er hatte sie gehört. Pepau war zurückgekommen. Sie mußte es nachher ihrem Vater erzählen.
    »Was ist passiert?« rief Pater Lucius im Laufen. »Ihr wolltet doch ein paar Tage ausbleiben.«
    »Nichts ist passiert, im wahrsten Sinne des Wortes.« Reißner wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Wir rennen ins Leere, weiter nichts. Wir wackeln auf Eingeborenenpfaden durch den Urwald, aber was um uns herum ist, das erfahren wir nie. Da kommen wir auch nicht hin. Sollen wir uns Meter um Meter kreuz und quer durchschlagen, durch das ganze Gebiet? Berg rauf, Berg runter, durch die Täler und Uferdschungel? Die berühmte Nadel im Heuhaufen ist ein Kinderspiel dagegen. Und zehn Jahre Regenwald decken alles zu. Wir müssen auch mit den anderen Stämmen Kontakt aufnehmen.« Er lachte rauh. »Pater, das gibt für dich noch einige Kirchen mehr.«
    »Hoffentlich. Ich bin bereit.«
    In dieser Nacht schlief Leonora nicht mehr im Frauenhaus. Dai Puino hatte für sie eine kleine runde Hütte bauen lassen und den Schlafsack bestaunt, den sie auf den Boden legte. Als sie ihm zeigte, wie man in ihn hineinschlüpft und den Reißverschluß zuzieht, war er so begeistert, daß er es ihr sofort nachmachte, in den Schlafsack krabbelte und dann mit einem glücklichen Lächeln liegen blieb. Nur sein runzliger Kopf ragte aus dem Sack hervor.
    »Wir müssen Dai Puino einen Schlafsack schenken«, sagte Leonora, nachdem sie die Hütte bezogen hatte. »Er ist ganz verrückt danach. Vor allem der Reißverschluß hat's ihm angetan.«
    Bevor es dunkel wurde, trug Schmitz einen Schlafsack zu Dai Puinos Hütte. Der Alte war außer sich vor Freude, klatschte in die Hände, umarmte Schmitz und rieb sein Kinn an Pepaus Kinn. Im Hintergrund stand Lakta und sah ihnen zu. Sie lächelte versonnen und sah Schmitz mit strahlenden, glücklichen Augen an. Sie wußte, daß es unendlich Schöneres gab als Kinnreiben.
    An diesem Abend der ersten Niederlage saß Zynaker in Leonoras Hütte und trank mit ihr eine Flasche Wein, die sie im Bergbach gekühlt hatten. Sie tranken ihn aus Tonbechern, die sie mitgenommen hatten. Er verstand, daß sie schweigend aß und trank. Die Enttäuschung war zu groß, sie lastete auf ihr wie ein erdrückendes Gewicht.
    Zynaker wartete deshalb eine ganze Weile, bevor er sie ansprach. »Du hast gesagt, wir hätten Zeit, viel Zeit.«
    »Ja.«
    »Wir müssen nach neuen Anhaltspunkten suchen.«
    »Wo? Ich habe alles zusammengetragen, was einen Hinweis geben könnte. Es kann keine neuen, unbekannten Spuren mehr geben. Genaueres als die Aufzeichnungen, die mein Vater vor seinem Abflug in Kopago hinterlassen hat, kann es nicht geben.«
    »Und die besagen: Es war hier, in diesem Tal?«
    »Wäre ich sonst hier? Er hat es genau beschrieben.«
    »Dann verschweigen uns die Uma etwas.«
    »Oder die Pogwa.«
    »Du willst zu den Pogwa, Schatz? Sie sind der gefürchtetste und blutrünstigste Stamm des Hochlands.«
    »Das wissen wir erst jetzt. Die Uma hätten es auch sein können, und jetzt sind wir Freunde.«
    »Deine Logik ist umwerfend, Liebling.«
    »Aber sie stimmt. Gib es zu.«
    »Leider.« Zynaker nahm ihre Hand und küßte die Innenfläche.
    »Warum nur die Hand?« fragte sie.
    »Die Nacht ist noch lang.«
    »Jede Nacht mit dir ist zu kurz. Der Tag müßte zwölf und die Nacht vierundzwanzig Stunden haben.«
    »Wir können einen neuen Kalender einführen, unseren Kalender, und wir werden nach den Stunden leben, die wir uns schenken.«
    Sie senkte den Kopf, schlug plötzlich beide Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. »Was soll ich tun?« fragte sie. »Ich ahne, ja ich weiß es vom Gefühl her, daß mein Vater lebt. Hier irgendwo lebt. Aber wie? Wie kann er zehn Jahre leben, ohne zu versuchen, aus dieser Hölle auszubrechen? Schritt für Schritt. In zehn Jahren hätte man zurückkehren können. In zehn Jahren wäre auch dieses Urland zu überwinden, Meter um Meter. Aber er rührt sich nicht – und lebt!«
    Zynaker schwieg. Was sollte er antworten? Es sind doch nur Hirngespinste, mein Schatz – das wäre zu grob. Sir Anthony hatte in seiner direkten Art die Wahrheit gesagt: »Es ist absoluter Wahnsinn!« Aber auch das hatte nicht geholfen. Sie blieb bei ihrem Gefühl, sie werde ihren Vater finden. Wie konnte man sie davon überzeugen, daß Wunsch und Wirklichkeit selten zusammenpassen?
    »Man

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