Tal ohne Sonne
nie entgehen.«
Mit einem Kleinbus fuhren sie zur Homate Street, wo in einem weiten, gepflegten Park mit Eukalyptusbäumen und großen Begonienbüschen das Hotel lag, ein weißer, langgestreckter, einstöckiger Bau im Stil der Kolonialzeit, mit Säulen, verglaster Terrasse, kurzgehaltenem englischen Rasen und einem halbrunden gläsernen Speisesaal. In einem Anbau befand sich die Wohnung von Pieter van Dooren. Von seiner Terrasse ging der Blick weit über das Land bis zum Zokizoi River und einer Ansiedlung mehrerer Papua-Familien. Langgezogene, wie auf Pfählen stehende Holzhäuser, strohgedeckt und mit buntbemalten, hochgezogenen spitzen Giebeln.
Nach dem Essen, bei dem sie von zwei weiß gekleideten Papuas bedient wurden, machten sich Reißner, Kreijsman und Pater Lucius auf, die Stadt Goroka und vor allem den Eingeborenenmarkt an der Kundiawa Road zu besichtigen. Zynaker kehrte zum Flugplatz zurück, um das Flugzeug nicht allein zu lassen und aufzutanken. Peter Paul Schmitz ließ sich mit einem Taxi zur Morchhauser Street fahren, um das McCarthy-Museum zu besuchen. Leonora und van Dooren blieben auf der Terrasse zurück und ließen sich einen starken Kaffee und Gebäck servieren.
»Sie haben bei General Lambs gewohnt?« fragte van Dooren, nachdem Leonora das schöne Hotel und den prächtigen Park gelobt hatte. »Er muß Sie für verrückt halten.«
»Das tut er.«
»Er haßt dieses Land.«
»Den Eindruck hatte ich nicht. Es schien, als fühle er sich wohl in Port Moresby.«
»Er fühlt sich wohl in seinem Haß – das ist es. Kennen Sie seine Geschichte?«
»Nein. Er sprach wenig, ja gar nicht über sich selbst.«
»Es ist über dreißig Jahre her.« Van Dooren hielt Leonora eine Schachtel Zigaretten hin. Sie schüttelte den Kopf, aber van Dooren nahm sich eine heraus und zündete sie an. »Damals machte seine Frau, Lady Mary, einen Ausflug auf dem Sepik. Sie waren eine Gruppe von sieben Personen, die Lady, ein Captain der Armee, zwei Korporale, der Motorbootführer und zwei Botaniker aus Neuseeland. Sie wollten von Ambunti bis Angoram fahren, durch die riesigen Sumpfgebiete der Ostprovinz und vor allem in das Pflanzenparadies des Lake Chambri, ein Dorado für Botaniker. Lady Mary war nämlich selbst eine große Botanikerin – irgendeine seltene Dschungelpflanze, die sie entdeckt hat, trägt ihren Namen Mary Lambs. Es war eine völlig ungefährliche Tour. Gerade an diesem Teil des Sepik reiht sich Dorf um Dorf an den Fluß, liegen Missionen, Polizeistationen und Sammelstellen von Händlern. Bei dem Dorf Suapmeri verließ das Boot den Sepik und fuhr auf einem Nebenarm zum Lake Chambri, wollte ihn durchqueren und bei dem Dorf Wombun für zwei Tage ein Lager beziehen. Das war keine Seltenheit, und weil der Ausflug so ungefährlich war, hatte Oberstleutnant Lambs – damals war er noch nicht General – seine Einwilligung gegeben. Von Suapmeri empfing die Garnison in Madang, wo Lambs damals das Kommando hatte, noch einen fröhlichen Funkspruch, in dem Lady Mary sagte, wie wundervoll hier die Landschaft sei, aber von da an verliert sich jede Spur. Das Boot mit den sieben Personen ist nie in Wombun angekommen. Lambs ließ mit seinem Militär das ganze Gebiet durchsuchen, ich glaube, nicht einen Meter des Lake Chambri ließ er unerforscht, immer und immer wieder verhörten die Soldaten die Eingeborenen und bekamen immer die gleiche Antwort: ›Wir haben nichts gesehen. Wir wissen nichts.‹ Keine Trümmer des Bootes, kein Kleiderfetzen wurde gefunden. Die kleine Gruppe hatte sich im Nichts aufgelöst. Da so etwas aber nicht möglich ist, schickte Lambs eine Strafexpedition aus. Sie brannte ein Dorf der Papuas nieder und drohte, alle Dörfer rund um den Lake Chambri zu verbrennen, wenn niemand die Wahrheit sagte – umsonst. Je mehr sie drohte, um so schweigsamer wurden die Papuas, um so starrer ihre Gesichter. Nach dem Niederbrennen des Dorfes war alles aus – die Papuas hätte man in Stücke schneiden können, und sie hätten dennoch geschwiegen.« Van Dooren atmete tief auf und goß sich noch eine Tasse Kaffee ein. »Das war vor dreißig Jahren. Man wollte Lambs versetzen er weigerte sich. Im Gegenteil, er baute sich in Port Moresby das Haus, das Sie kennen, und blieb in Papua-Neuguinea, um nie seinen Haß zu verlieren und ihn zu pflegen wie einen kostbaren Gegenstand. Die Erinnerung an seine Frau wurde zu einer Wurzel, die ihn festhält.« Van Dooren sah Leonora nachdenklich an. »Und nun kommt eine Frau
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