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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mitgeben. Nach Plan fliegen wir übermorgen weiter nach Kopago zum Distriktshauptquartier. Sie nehmen Samuel mit, nicht wahr, Leonora?«
    »Ja. Es wird sich zeigen, ob er wirklich das hält, was er uns verspricht, oder ob er nur umsonst zu seiner Sippe zurückkehren will.« Sie nickte Samuel zu, der sie mit glänzenden Augen anstarrte. »Ich will es mit dir versuchen – du kommst mit uns.«
    »Danke, Massa.« Samuel machte eine tiefe Verbeugung. »Danke.« Dann sah er Pater Lucius an, machte eine Art Luftsprung, rief laut: »Halleluja!« und rannte aus dem Zimmer. Pater Lucius folgte ihm.
    »Ich glaube, da haben Sie einen guten Fang gemacht, Miss Patrik«, sagte van Dooren. Er sagte es sehr ernst. »So ein Eingeborener kann eine Art Lebensversicherung sein.«
    Nach zwei Stunden kam Pater Lucius wieder ins ›Goroka Lodge‹ zurück. Samuel folgte ihm, einen Sack aus Zeltstoff über dem Rücken. Er enthielt seine ganze Habe: einen Anzug für den sonntäglichen Gottesdienst in der Kirche, etwas Unterwäsche, ein Paar derbe Lederschuhe mit dicken Sohlen, zwei alte Hemden, eine kurze, ausgefranste Hose aus Khakistoff, ein beidseitig geschliffenes Messer mit einem geschnitzten Holzgriff, ein Foto der Mission von Goroka, worauf man Samuel im Ornat eines Meßdieners sehen konnte, drei Heiligenbildchen mit frommen Sprüchen, ein Kruzifix aus silbergefärbtem Kunststoff, zwei Stirnbänder, mit bunten Perlen bestickt, und aus vergangener Zeit einen Buschen Paradiesvogelfedern und das Brustschild aus dem Eberschulterblatt. Das war das Wertvollste seines Gepäcks; wenn er nach Hauwindi zurückkehrte oder mit den Weißen in das unbekannte Land der ›Täler ohne Sonne‹ zog, zeigte das Brustschild jedem, daß er ein großer Krieger war und keine Furcht kannte. Seine triumphale Beute, die vier abgeschnittenen Schwänze der Kelebo-Krieger, hatte man ihm auf der Missionsstation sofort abgenommen und am gleichen Tag noch verbrannt. Fast zehn Tage lang trauerte Samuel ihnen nach, dann erst war er bereit, sich von Jesus und der brüderlichen Liebe zu allen Menschen erzählen zu lassen. Wer aber Jesus wirklich war, hatte er bis heute noch nicht ganz begriffen. Die Hauptsache war, er lebte in einem schönen festen Haus und hatte immer zu essen und zu trinken, ohne stundenlang auf die Jagd gehen zu müssen.
    »Alles klar!« sagte Pater Lucius und legte den Arm um Samuels Schulter. »Er bringt die besten Empfehlungen mit. Ein braver, fleißiger Bursche – sogar die lateinische Messe kann er auswendig.«
    In der Nacht aber geschah etwas Merkwürdiges. Der riesige Portier wachte von dem unangenehmen Gefühl auf, jemand kratze ganz leicht über seine Brust. Er hob den Kopf, sah zunächst nichts, griff zur Seite, knipste das Licht an und lag dann regungslos, wie erstarrt auf dem Rücken. Er spürte, wie kalter Schweiß ihm plötzlich aus allen Poren drang, wie ein inneres Zittern ihn ergriff, wie sein Hals gewürgt wurde und seine Lungen nach Luft rangen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf seine breite, schwitzende Brust. Dort bewegte sich träge, oft anhaltend und den Gliederschwanz hochreckend, ein großer Skorpion und kroch langsam zu seinem Hals hinauf.
    Der Riese hielt den Atem an, das Hämmern des Blutes in seinem Kopf betäubte ihn fast, die Angst verkrampfte seine Hände und Zehen, er starrte den Tod an, den noch hochgehobenen Giftstachel und wußte, daß er bei der geringsten Bewegung nach unten stieß, in ihn eindrang und das Gift in seinen Körper spritzte.
    Der Skorpion kroch langsam weiter, am Hals entlang, über die rechte Schulter und ließ sich dann auf den Boden fallen. Mit einem dumpfen Schrei sprang der Portier von seinem Bett, rannte ins Zimmer, ergriff einen Kerzenleuchter aus dickem Messing – auf dem Markt von Mount Hagen hatte er ihn vor Jahren gekauft –, stürzte zurück zum Bett, sah den großen Skorpion über die Holzdiele kriechen und schlug zu, immer und immer wieder, auch als der Skorpion nur noch eine unförmige, zermalmte Masse war, und er hörte erst auf, als der Leuchter in der Mitte durchbrach.
    Nein, es gibt keinen Grund anzunehmen, Samuel habe seine Hand im Spiel gehabt. Wie kann man einem Meßdiener so etwas zutrauen?

3
    Lieutenant Ric Wepper kapitulierte: Gegen eine Frau wie Leonora Patrik kam er nicht an.
    Seit Wochen bedrängte ihn General Lambs telefonisch mit der dringenden Bitte, die Expedition ins unbekannte Hochland zu verhindern. Jeder Trick war dazu gut genug, ja, sogar Sabotage

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