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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der keine Übersetzung brauchte. Es war eine Abschlußklasse, und dies war ein Kurs zur Vorbereitung auf das College, zwölf ihrer besten Schülerinnen und Schüler. Jeder hatte seine eigene, im Werden begriffene Begabung, die er hinaus in die Welt der Hörenden tragen würde, und Dana wußte um ihre Geheimnisse, ihre Stärken und Schwächen. Tut mir leid, daß ich zu spät bin , gebärdete sie und warf ihre Handtasche und den Aktenkoffer auf das Pult. Sie war außer Atem, ihr Gesicht war gerötet. Sie kniff sich entschuldigend in die Schultern: Ich habe verschlafen .
    Koch würdigte sie keiner Antwort. Er stand bereits an der Tür. Ein Streifen Sonnenlicht fiel auf die erste Tischreihe, als wollte er den Raum zerschneiden. Alle zwölf Schülerinnen und Schüler saßen wie angenagelt da, aufmerksam und angespannt, und der immer so gefühlsselige Robby Rodriguez sah aus, als würde er gleich unter der Last seiner inneren Qual zusammenbrechen. Für einen langen Augenblick stand Dr. Koch da, die Hand an der Türklinke. Dann gebärdete er abrupt, er erwarte Dana in der Mittagspause in seinem Büro, riß die Tür auf und stolzierte hinaus.
    Wie die meisten Gehörlosenschulen war auch die in San Roque ein Internat. Die Schüler kamen von überall her, die Mehrheit stammte allerdings von der Westküste. Der Betrieb entsprach eher dem eines Colleges als einer normalen High School (nach Danas Meinung hatte die Schule große Ähnlichkeit mit einer Besserungsanstalt), und wenn die Schüler keinen Unterricht und keine Sitzung beim Sprachtherapeuten hatten, konnten sie innerhalb eines gewissen Rahmens tun, was sie wollten. Dienstags und donnerstags unterrichtete Dana drei Stunden, zwei vormittags, eine am Nachmittag, dazwischen hatte sie Sprechstunde, machte Besorgungen oder arbeitete an ihrem Buch. Sie setzte Hoffnungen in dieses Buch, es war ein Ehrgeiz, der sie antrieb, auf kleinste Details zu achten, damit alles stimmte und sie auf eine Weise kommunizierte, die für Hörende vielleicht selbstverständlich, für sie jedoch so neu und berauschend wie die Liebe selbst war – nicht wie eine erotische Liebe, sondern wie Agape, wie die unentwegt fließende, unerschöpfliche Liebe für die gesamte Schöpfung. Der Gedanke daran, was sie bis jetzt geschafft hatte und was noch im Dunst der Zukunft lag, erfüllte sie insgeheim mit Stolz und Befriedigung. Sie sprach mit niemandem außer Bridger darüber – es war zu nah, zu persönlich. Selbst der Titel – Wildes Kind – war wie eine Beschwörung eines Geistes und einer Stimme, deren sie sich nie bewußt gewesen war, und in den seltsamsten Situationen ertappte sie sich dabei, daß sie die beiden Worte tief in sich selbst vor sich hin sprach.
    Sobald die Unterrichtsstunde vorüber war (sie hatte der Klasse in abgekürzter Form erzählt, was ihr zugestoßen war – ihr und den Hausarbeiten, die sie, großes Ehrenwort, morgen wieder in Händen haben würde), ging sie zu Dr. Kochs Büro. Die Sekretärin gab ihr zu verstehen, er habe eine Besprechung, und Dana antwortete, sie werde warten. Sie setzte sich auf einen Stuhl in einer Ecke und las, um sich zu beruhigen, die unterstrichenen Passagen der ausgegebenen Unterrichtstexte, doch von Ruhe war sie weit entfernt. Zum einen spürte sie ihren Zahn – aus dem verhaltenen Pochen war ein stechendes Pulsieren geworden, das sich mit dem Rasen ihres Herzschlags zu beschleunigen schien –, zum anderen fühlte sie sich, während sie mit angelegten Ellbogen auf dem ausgeformten, bunten Plastikstuhl saß, als wäre sie wieder in der Gefängniszelle.
    Als sie – um genau zwölf Uhr – zu Dr. Koch vorgelassen wurde, war er unpersönlich und kurz angebunden, als wäre sie eine Studentin, die sich etwas hatte zuschulden kommen lassen. Sie hatte nicht mit Mitgefühl gerechnet – nicht bei ihm –, doch sie erwartete Höflichkeit, und zwar von jedem, besonders von Hörenden. Sie hatte zuviel Zeit damit verbracht, mit Leuten zu kommunizieren, die abweisend wurden, sobald sie den Mund aufmachte, um sich mit weniger zufriedenzugeben. Sehen Sie mich an , verlangte sie. Sehen Sie mich an und hören Sie mir zu. Das war ihr Gesellschaftsvertrag, und wem das nicht gefiel, dem kehrte sie den Rücken. Keine Ausnahmen. Jetzt nicht mehr.
    Er saß an seinem Schreibtisch und wies mit einer Handbewegung auf den harten Büßerstuhl gegenüber. Sie setzte sich und sah ihn mit einem neutralen Lächeln an. Die gerichtliche Bescheinigung steckte in einem fleckigen

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