Talk Talk
erkennbar anders war als der vorangegangene, der ganze Film verwandelte sich vor seinen Augen in vielfarbigen Schlamm. Er konnte nur daran denken, was geschehen würde, wenn sie ihren Job verlor. Sie würde Gott weiß wohin ziehen müssen, um einen neuen zu finden. Er war ziemlich sicher, daß es in Berkeley eine Gehörlosenschule gab, aber die anderen lagen vermutlich ganz woanders, in Texas, North Dakota, Alabama. Bei dem Gedanken an Alabama drehte sich ihm der Magen um. Er wählte abermals Danas Nummer.
Als Radko um halb vier zu einer »Sprechung« nach Los Angeles aufgebrochen war, schlich Bridger sich hinaus. Trotz seines Gelöbnisses hatte er nicht die Absicht durchzuarbeiten, jedenfalls nicht heute: Er mußte Dana zur Verwahrstelle fahren, damit sie ihren Wagen abholen konnte, und dann mit ihr und den Leuten von der Opferhilfe versuchen, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen, denn sonst konnte sie jederzeit wieder verhaftet werden, jedenfalls solange dieser Wichser, der ihre Identität gestohlen hatte, auf freiem Fuß war. Als er auf den Parkplatz der Schule fuhr, saß sie auf der Eingangstreppe, und das war eine Erleichterung, obwohl er keinen Augenblick wirklich geglaubt hatte, daß sie ihre Klasse hängenlassen würde, ganz gleich, wie schweinisch der Direktor sie behandelt hatte. Das sähe ihr nicht ähnlich. Sie gab niemals auf.
Sie hatte eine lebhafte Diskussion in Gebärdensprache mit einem etwa siebzehnjährigen Jungen, der ein Wieselgesicht hatte und ungewöhnlich viel Aufwand mit seiner Frisur zu treiben schien (zweifarbig, schwer gegelt, rings um die Ohren und auch im Nacken zu weit ausrasiert), und als sie aufstand, ihre Sachen nahm und einstieg, wirkte sie wie immer. Aber dann wurden ihre Augen kalt, und das erste, was sie sagte, war nicht: »Wie war dein Tag?« oder: »Ich liebe dich«, oder auch nur: »Danke fürs Abholen«, sondern: »Ich halte es nicht mehr aus.«
Er zog die Augenbrauen hoch und machte ein, wie er hoffte, fragendes Gesicht. Als Pantomime war er nicht besonders gut.
»Koch, meine ich.«
»Warum?« fragte er und bemühte sich um deutliche Lippenbewegungen. »Was ist passiert?«
Der Motor des Wagens – eines 96er Chevy Pick-up, den er als Student gebraucht gekauft hatte und seither hatte überholen wollen – stotterte, setzte aus und kam wieder in Gang. »Nein«, sagte sie, »ich würde eine Woche brauchen, um dir das zu erklären.« Der wieselgesichtige Junge sah sie mit einem tragischen Blick an, der bestätigte, was Bridger bereits vermutet hatte: Er glühte im Delirium der Liebe und war bereit, für seine Lehrerin durchs Feuer zu gehen, sobald er den Rivalen aus dem Feld geschlagen hatte. Dana winkte ihm zum Abschied und wandte sich wieder an Bridger. »Fahr los. Ich muß meinen Wagen abholen – ohne Wagen bin ich aufgeschmissen. Und die Hausarbeiten« – sie machte etwas Typisches, eine Bewegung, die nur Dana machte: eine Art hyperaktives Sichwinden aus der Taille, als stünde der Sitz in Flammen, als versuchte sie zu entkommen – »o Gott, die Hausarbeiten!«
Bei der Verwahrstelle – NUR BARZAHLUNG ODER KREDITKARTE WIR AKZEPTIEREN KEINE SCHECKS – warteten sie zwanzig Minuten in einer Schlange, während die Leute vor ihnen die Spielarten und Grenzen menschlicher Wut demonstrierten. Das Büro, zu dem eine Reihe insistierender, auf die Außenmauer des Gebäudes gepinselter Pfeile den Weg wiesen, bestand aus vorgefertigten Betonteilen und hatte die Atmosphäre eines Bunkers: dunkel, eng und undurchdringlich. Sie waren kaum eingetreten, als sie vor einer Wand aus kugelsicherem Plexiglas standen; dahinter erwartete sie eine magere Kassiererin mit bleichem, grimmigem Gesicht und Haaren in einer Farbe, die an Motoröl erinnerte. Sie war etwa vierzig, fünfundvierzig – jedenfalls in einem Alter, in dem sich die Erkenntnis einstellt, daß es von nun an keine Hoffnung, ja nicht einmal mehr den Ansatz von Hoffnung gibt – und trug ein blaues Arbeitshemd mit einer Art Abzeichen an der Schulter. Ihr Job war es, durch einen schmalen Schlitz Geld in Empfang zu nehmen und dann in aller Ruhe das Formular abzustempeln, das den fraglichen Wagen betraf. Vom frühen Morgen bis zum Dienstschluß sprachen Menschen mit ihr durch ein verbeultes Drahtfenster – sie fluchten, wüteten, schäumten. Die beschlagnahmten Fahrzeuge waren nirgends zu sehen. Sie standen hinter einer drei Meter hohen, von Stacheldrahtspiralen gekrönten Betonmauer.
Das Paar, das am Schalter
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