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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Blätter lautlos auf seine Schuhe rieselten, sprang er auf, als hätte ihn dieser Impuls gerade erst überkommen. »Genug!« rief er, und jetzt gebärdete er, wütend, mit Händen, die sich bewegten wie die eines Preisboxers. Was Ihnen gefällt oder nicht gefällt, spielt überhaupt keine Rolle. Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie eine Angestellte sind – mit einem befristeten Vertrag. Eine Angestellte, die in der Hälfte der Fälle zu spät –
    »Schwachsinn!« sagte sie und wiederholte das Wort mit Nachdruck: »Schwachsinn!« Dann drehte sie sich um und schlug die Tür mit so viel Schwung hinter sich zu, daß sie das Vibrieren im ganzen Arm spürte, als sie an der Sekretärin vorbeiging, durch den Korridor, hinaus.

SECHS
    Bridger arbeitete, er war tief eingetaucht in Drex III , er schlenderte dahin, die Maus eine Erweiterung seines Gehirns, und sein Blut zirkulierte in einem steten, ruhigen Rhythmus aus Zusammenziehen und Loslassen, als Dana anrief. Bridger war früh gekommen, gleich nachdem er sie an der Schule abgesetzt hatte, denn er hoffte, den Rückstand der vergangenen vier Tage wenigstens teilweise aufzuholen, und hatte, als die anderen eintrafen, bereits zwei Stunden hinter sich. Was Radko nicht davon abhielt, ihm vor versammelter Mannschaft »die Bedeutung was ist Teamwok« vor Augen zu führen und ihm vorzuwerfen, er lasse sie alle hängen. Das fand Bridger unfair, überaus unfair, besonders als Deet-Deet sich aus seiner Kabine beugte und während der ganzen Standpauke Radko-Gesichter schnitt, doch er sagte zu seiner Verteidigung nur, er sei bereits seit acht da und werde bis in die Abendstunden bleiben – oder so lange, wie es eben dauerte, bis er jeden Frame dieser Einstellung bearbeitet hatte (wieder mußte ein Kopf ersetzt werden, diesmal der von Kades Costar Lara Sikorsky, deren Double mit einem dreifachen Auerbachsalto von einer der spitzen Felsnadeln, die es auf Drex III gab, in einen Feuersee gesprungen war, aus dem sie selbstverständlich unversehrt auftauchte, weil infolge genetischer Adaption ihre Haut, ihre Haare und ihre makellos gepflegten und polierten Fingernägel Temperaturen von mehr als fünfhundert Grad aushielten). Tatsächlich hatte er sich derart in die Arbeit vertieft, daß er keine einzige Nachricht seiner Kollegen geöffnet und, abgesehen von Kaffee, nichts im Magen hatte.
    Sein Handy vibrierte, und er holte es verstohlen aus der Tasche und beugte sich weit vor, um es vor neugierigen Blicken zu verbergen, also vor Radko, wenn der zum Kühlschrank oder zur Toilette ging. Dana schrieb manchmal minutenlange SMS , doch diesmal hatte sie sich kurz gefaßt: Koch ist ein echtes A-Loch. Ich kündige. 100%ig.
    Er antwortete: Willst du darüber reden?
    Gibt nichts zu reden. Ich schmeiße hin.
    Tu das nicht. Es sind nur noch vier Tage.
    Nichts. Er hielt das Handy, als wäre es ein Totem, als könnte es ohne jede menschliche Mitwirkung etwas Bedeutsames übermitteln, und dann sendete Dana noch einmal die ursprüngliche Nachricht: Koch ist ein echtes A-Loch.
    Alles in allem war das eine Behauptung, der er nicht widersprechen konnte. Er war dem Mann bisher vier- oder fünfmal begegnet, bei sterbenslangweiligen Schulveranstaltungen (wo Dana unter Androhung des Verlusts aller Geduld und Freundlichkeit seitens der Schulleitung anwesend zu sein hatte). Koch war so steif und unpersönlich und gefühllos wie die behelmten Palastwachen auf Drex III . Und wenn man sah, wie herablassend er die gehörlosen Lehrer und auch die Schüler behandelte, hätte man meinen können, sein besonderes Talent sei nicht die Pädagogik, sondern die Demütigung. Trotzdem, er war derjenige, der das Sagen hatte, und Dana hatte nicht gerade viele Optionen. Die Gehörlosenschule in San Roque war der einzige für sie geeignete Arbeitsplatz in der Stadt, ja, sie war, soviel er wußte, die einzige Gehörlosenschule in diesem Teil der Westküste. Er rief Dana an, doch sie meldete sich nicht.
    Eine Viertelstunde später versuchte er es erneut, doch wieder nahm sie nicht ab. Er spähte aus seinem Verschlag und versuchte, Radkos Position zu ermitteln, bevor er ihr eine E-Mail schickte ( Tu nichts Übereiltes , lautete die Nachricht, die er sowohl auf ihrem Computer als auch auf ihrem Handy hinterließ). Der Morgen ging dahin, aber es gelang Bridger nicht, seine Konzentration wiederzufinden. Die Maus bewegte sich so langsam, als wäre sie aus Kryptonit, die Szenerie vor ihm war in einem Augenblick eingefroren, der nicht

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