Tallinn-Verschwörung
Kardinal eintraf. Sein langjähriger Weggefährte Monsignore Kranz sah seinen Sekretär mit leuchtenden Augen an und ballte triumphierend die Rechte zur Faust. »Gott ist mit uns, denn er hat unseren lieben Bruder Winter mit Purpur geschmückt.«
»Damit kann die zweite Phase beginnen.« Die Stimme seines Sekretärs klang emotionslos, aber seine Miene verriet, wie zufrieden er war.
Kranz nickte eifrig. »Sie können alles in die Wege leiten, mein Sohn. Behelligen Sie mich jedoch nicht mit Nebensächlichkeiten. «
»Gewiss nicht, Hochwürden.« Täuberich hätte Kranz einiges zu berichten gehabt, denn seine Pläne waren weiter gediehen, als der Monsignore ahnte. Stattdessen lenkte er das Gespräch auf die für den nächsten Tag geplante Protestaktion der islamischen Verbände als Reaktion auf die Sprengung der Sendlinger Moschee.
»Ich glaube nicht, dass es klug ist, den Heiden morgen das Feld zu überlassen. Eine friedliche Kundgebung würde nur jene Narren bestärken, die an die Gutwilligkeit der Moslems glauben.«
»Dann gehen Sie zu Feiling. Er soll dafür sorgen, dass sich einige seiner Gesinnungsgenossen der Sache annehmen. Ich werde mich noch heute Abend auf den Weg nach Rom machen, um Kardinal Winter meine Glückwünsche persönlich zu überbringen. Sie brauchen nicht nachzukommen. In spätestens vier Tagen bin ich zurück.« Kranz gab seinem Sekretär das Zeichen, dass er allein zu sein wünschte, und nahm den Eilbrief zur Hand, in dem Winter ihm seinen Aufstieg in der kirchlichen Hierarchie mitgeteilt hatte. Jetzt galt es, weitere Männer der eigenen Seite nachzuziehen. Einer der Ersten wollte Kranz selbst sein. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte er sich für die Fahrt nach Rom entschieden.
Täuberich war in der Tür stehen geblieben, denn er wollte noch eine Sache geklärt haben. »Dieser Renk oder wie der Kerl heißt beginnt lästig zu werden. Wir sollten ihn ausschalten! «
»Dann sorgen Sie dafür, dass das geschieht.« Kranz wedelte mit den Händen, als wolle er seinen Sekretär verscheuchen.
Dieser verbeugte sich lächelnd. »Ich werde Feiling und dessen Leute auf Renk ansetzen. Die werden ihn genauso erledigen wie den abtrünnigen Dr. Normann.«
Kranz weilte in Gedanken jedoch bereits in Rom und hörte ihm nicht mehr zu.
DREI
I n der Stadt, in die der Monsignore reisen wollte, war Graziella Monteleone der Verzweiflung nahe, denn ihr Onkel war noch nicht von seinem Besuch in Castel Gandolfo zurückgekehrt.
Inzwischen hatte sie Kardinal Rocchigianis Unterlagen weiter ausgewertet und das Ergebnis zutiefst erschütternd gefunden. Winters Kontakte zu rechtsextremen Gruppierungen in Italien mussten noch enger sein, als sie befürchtet hatte. Wahrscheinlich war er sogar selbst ein Faschist. Rocchigiani hatte den früheren Weihbischof für einen Menschen gehalten, der über Leichen ging, um sein Ziel zu erreichen. Winter träumte von einem Europa ohne Muslime unter der Leitung der katholischen Kirche. Diese Vision hatte Rocchigiani für die eines kranken Kopfes gehalten und Winters Pläne für undurchführbar. Graziella war derselben Meinung wie der verstorbene Kardinal und weigerte sich mehr denn je zu glauben, Rocchigiani sei eines natürlichen Todes gestorben.
Nun bekam sie es mit der Angst zu tun. Wenn ihr Großonkel sich gegen Winter und dessen Helfershelfer stellte, würden diese sicherlich nicht davor zurückschrecken, auch ihn kaltblütig aus dem Weg zu räumen. Im Moment stand er noch im Bann des neuen Kardinals, der Rocchigianis Aufzeichnungen zufolge den von den meisten europäischen Regierungen in Aussicht gestellten Beitritt der Türkei zur EU unter allen Umständen verhindern wollte.
Der italienische Ministerpräsident Ecconi hatte sich letztens ebenfalls für diesen Beitritt ausgesprochen und war daraufhin von dem Faschisten Fiumetti im Parlament wüst beschimpft und als Verräter bezeichnet worden.
Für Graziella war Fiumettis Attacke ein Zeichen für den erschreckenden Niedergang der politischen Kultur in ihrem Land. Der rechtsradikale Politiker hatte in seiner Rede die Vertreibung der in Italien lebenden Muslime verlangt und dabei Gewalt nicht ausgeschlossen. Die sozialliberale Regierungspartei hatte daraufhin den Antrag gestellt, seine Immunität aufzuheben, damit er wegen seiner volksverhetzenden
Reden vor Gericht gestellt werden konnte, war damit aber an dem geschlossenen Votum der Opposition und einiger kleinerer Parteien ihres eigenen Regierungsbündnisses
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